Thema der Woche
EU-Staaten reduzieren relative Neuverschuldung
In der Summe lesen sich die jüngsten Zahlen der EU-Statistikbehörde Eurostat gut: Demnach ist es den EU-Staaten im vergangenen Jahr gelungen, ihre Neuverschuldung deutlich zu reduzieren. So lag das durchschnittliche Budgetdefizit in der Europäischen Union (EU) bei 0,6% des BIPs, bei den 19 Euro-Staaten bei 0,5%. Ein Jahr zuvor lagen diese Werte noch bei einem Prozent. Damit verzeichneten im vergangenen Jahr 13 von 28 EU-Ländern einen Haushaltsüberschuss – allerdings nur nach relativen Zahlen.
In absoluten Zahlen steigt Verschuldung aber leicht an
Aufgrund der rekordhohen Steuereinnahmen zählt auch Deutschland zu den Ländern mit einem öffentlichen Überschuss, der gemessen am BIP bei 1,7% lag. Noch besser schnitten Luxemburg (plus 2,4%), Bulgarien und Malta (jeweils plus 2,0%) ab. Auch die Niederlande (plus 1,5%) sowie das oft gescholtene Griechenland (plus 1,1%) lagen in der Spitzengruppe. Dagegen wiesen Rumänien (minus 3,0%) und Zypern (minus 4,8%) hohe Defizite aus. Unterm Strich verringerte sich damit, in Relation zum BIP, der öffentliche Schuldenstand in der EU von 81,7% (2017) auf 80,0% (Ende 2018). Im Euroraum reduzierte sich der Wert von 87,1% auf 85,1%, was immer noch deutlich über dem Maastricht-Kriterium von 60% liegt. Allerdings ist diese Entwicklung auch nicht mit einem Schuldenabbau in absoluten Zahlen gleichzusetzen, sondern immer nur in Relation zum BIP zu sehen. Die tatsächlichen Staatsschulden stiegen im Euroraum von 2017 auf 2018 leicht von 9,76 auf 9,86 Billionen Euro an.
Griechenland und Italien bleiben Sorgenkinder
Bei der Betrachtung der Schuldenentwicklung kann die Wirtschaftsleistung dennoch nicht außer Acht gelassen werden, weshalb die EU nach diesen aggregierten Werten auch auf dem richtigen Weg ist. Allerdings weisen die oft als Sorgenkinder bezeichneten Länder Italien und Griechenland weiterhin keine Fortschritte auf. Im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung stieg der griechische Schuldenstand auf 181,1%, was den höchsten Wert in der Eurozone darstellt. In dem von Populisten und EU-Kritikern regierten Italien kletterte der Schuldenstand auf 132,2% nach 131,4% im Vorjahr. Damit gehören diese Länder (Griechenland und Italien) – zusammen mit Portugal (121,5%), Belgien (102% und Zypern (102,5%) – zu den Volkswirtschaften, die eine Verschuldungsquote von über 100% des BIPs ausweisen.
In Rom will man die Warnschüsse nicht hören
Dort macht Standard & Poor’s insbesondere die Wirtschaftspolitik in Rom für die konjunkturelle Schieflage in dem Land verantwortlich. Dennoch hat die Ratingagentur die Bonitätsbewertung für Italien mit „BBB“ gerade noch im Investment-Grade-Bereich belassen – allerdings mit negativem Ausblick. Ebenso wie bei Moody’s, wo Italien auch an der untersten Stufe mit befriedigender Bonität steht, hat man den Eindruck, dass die Agenturen zwar immer wieder Warnschüsse in Richtung Rom abfeuern, aber zum Downgrade noch nicht bereit sind. Zugleich hat man allerdings den Eindruck, dass die Regierenden in Rom demonstrativ weghören und sich auf die Suche nach externen Sündenböcken begeben, wie beispielsweise der EU, den Flüchtlingen oder den eigenen Notenbankern. Manchmal wird sogar die Wachstumsschwäche Deutschlands für die hausgemachte Misere verantwortlich gemacht.
Erneute Hängepartie in Spanien?
Andere schwergewichtige EU-Länder wie Frankreich (Schuldenstand 98,4%) und Spanien (97,1%) stehen zwar auch vor Problemen, negieren aber nicht derart die Realitäten, wie es in Italien der Fall ist. Doch nach den Wahlen in Spanien droht dort die nächste Hängepartie, weil die siegreichen Sozialisten nicht so richtig wissen, wie sie eine Mehrheit organisieren sollen. Und in Frankreich sagt Präsident Emmanuel Macron Steuersenkungen zu und kündigt mehr Bürgerbeteiligung an. Aber ob dies allerdings reichen wird, die Gelbwesten-Proteste einzudämmen, muss sich erst noch zeigen.
Klaus Stopp, Head of Market Making Bonds der Baader Bank