Rom bastelt an Parallelwährung
Giuseppe Contes Geduld ist weitgehend erschöpft. Genervt von den „kindischen Querelen“, wie der „Corriere della Sera“ den Dauerstreit innerhalb Italiens populistischer Regierung aus Lega und MoVimento 5 nannte, drohte Italiens parteiloser Premier mit Rücktritt. Die beiden Parteichefs sollten ihm klar, unmissverständlich und insbesondere rasch sagen, ob sie bereit seien, im Sinne des Koalitionsvertrags weiterzumachen oder vorgezogene Parlamentswahlen anstrebten. Wenn nicht, werde er sein Amt niederlegen.
Conte pocht auf Einhaltung der Schuldenregeln
Dieser Wink mit dem Zaunpfahl des Premiers erwischt die Regierung zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn dem hoch verschuldeten Land steht ein Defizitverfahren der EU ins Haus, da es die Schuldengrenzen gebrochen hat. Die EU-Kommission kam nämlich zu dem Schluss, die Regierung in Rom habe 2018 keine ausreichenden Gegenmaßnahmen getroffen, wie die Deutsche Presse-Agentur erfahren hat. Dies könnte für Italien Strafen in Milliardenhöhe nach sich ziehen, da die EU-Kommission sich gestern für eine Einleitung eines Strafverfahrens ausgesprochen hat. Die endgültige Entscheidung hierüber wird jedoch von den EU-Finanzministern zu treffen sein.
Während Lega-Chef Matteo Salvini nach den für ihn erfolgreich verlaufenen Europawahlen davon schwadronierte, die Wähler hätten ihm ein Mandat erteilt, die geltenden Schuldengrenzen in der EU neu zu verhandeln, pocht Conte darauf, die Schuldenregeln gefälligst einzuhalten. Ein Defizitverfahren gegen Italien würde dem Land „sehr wehtun", sagte der Premier und forderte dazu auf, die Verhandlungen mit Brüssel nicht zur Grundlage neuer Provokationen zu machen.
Rom beschließt Mini-Bots
Indessen verfolgt Salvini in Sachen Währung seine eigene Agenda. Vergangene Woche hat die italienische Abgeordnetenkammer die Ausstellung kurzfristiger Schuldscheine in Stückelungen von fünf bis 500 Euro beschlossen, wie sie bereits im Koalitionsvertrag von 2018 festgeschrieben waren. „Mini-Bots“ (BOT steht für „Buoni Ordinari del Tesoro“) nennt man diese „Schatzanweisungen“ mit Laufzeiten zwischen drei und zwölf Monaten, welche der italienische Staat einsetzen will, um Rechnungen innerhalb seiner Grenzen zu begleichen. Darüber hinaus sollen Bürger und Unternehmer damit ihre Steuern bezahlen können. Jedoch kann man mit diesen Mini-Bots die Fiskalkriterien nicht umgehen, da diese nicht auf die Art der Finanzierung, sondern auf Schuldenstand und Defizit gründen.
Drohpotenzial für den Budget-Streit mit Brüssel
Natürlich schafft Rom damit de facto eine Parallelwährung und könnte letztendlich den Einstieg in den Ausstieg Italiens aus dem Euro einläuten. Allerdings fällt auch für die wirtschaftlich stärkeren Länder die Gefahr der Mithaftung weg. Zur endgültigen Beurteilung dieser Maßnahme bedarf es noch der praktischen Erfahrung. Anzunehmen ist freilich, dass Italien die Mini-Bots nutzten wird, um im Budget-Streit mit der EU Drohpotenzial aufbauen zu können. Man darf gespannt sein, ob sich Brüssel hier von Rom auf der Nase herumtanzen lässt, denn Schulden in Höhe von 2,3 Bill. € sind kein Pappenstiel.
Der reiche Onkel aus Amerika desavouiert die Gastgeberin
Dass D. T., der Unberechenbare, die massiven Proteste gegen ihn bei seinem Besuch in London als „Fake News“ abqualifiziert, mag ja seiner Ignoranz und verzerrten Wahrnehmung geschuldet sein. Dass er sich aber auch noch massiv in die Innenpolitik von Großbritannien einmischt, zeugt einmal mehr von einem Tabubruch, den er vollzogen hat. Während Premierministerin Theresa May weiterhin für einen geordneten Brexit plädierte, empfahl Trump den Briten einen raschen EU-Austritt ohne Deal, was einer Desavouierung der Gastgeberin gleichkommt. Hinzu kam, dass er Boris Johnson als seinen Lieblingsnachfolger von May in den Himmel lobte. Noch an diesem Freitag will May bekanntlich den Chefposten der Tories aufgeben. Bis Ende Juli soll sie schließlich auch als Regierungschefin abgelöst werden. Bisher haben elf Kandidaten Interesse angemeldet, sie zu beerben.
Trump lockt mit neuem Freihandelsabkommen
Außerdem lockte Trump bei seinem London-Besuch in der Rolle des reichen Onkels aus Amerika mit einem „phänomenalen Freihandelsabkommen“, das die USA mit den Briten nach dem Brexit schließen will. Der gemeinsame Handel könnte verdoppelt oder verdreifacht werden, stellte der US-Präsident in Aussicht. Dass er dabei auch ausdrücklich das Nationale Gesundheitssystem der Briten, den National Health Service (NHS), miteinbezog, deutet darauf hin, dass ein solches, mögliches Abkommen zwischen Washington und London auf eine Deregulierung in vielen Bereichen hinauslaufen könnte.
Queen betont Notwendigkeit der Zusammenarbeit
Und dann war der reiche Onkel aus Amerika auch noch bei der Queen zu Gast. Diese lobte in ihrer Ansprache zwar die „enge und langjährige Freundschaft“ beider Staaten, versäumte es aber nicht die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der Völker zu erwähnen, „um einen hart erkämpften Frieden zu bewahren“. Dem ist nichts hinzuzufügen. Ob die Queen über den Besuch des Onkels aus Amerika „amused“ war ist nicht überliefert. Ihre säuerliche Miene aber sprach nicht dafür.
Mario Draghi auf Abschiedstour
Am heutigen Donnerstag tagt der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) in der litauischen Hauptstadt Vilnius und wird die zukünftige Geldpolitik mit entsprechenden Beschlüssen untermauern. Nachdem zum jetzigen Zeitpunkt immer mehr der Eindruck entsteht, dass in den USA der nächste Zinsschritt eine Senkung sein wird, so erwartet die Mehrzahl der Marktteilnehmer von den europäischen Notenbankern keine Änderung der Leitzinsen zum jetzigen Zeitpunkt.
Jedoch bedeutet das nicht, dass es sich hierbei um eine ereignisarme Sitzung handelt. Ganz im Gegenteil. Auf dieser Sitzung wird erstmals der neue EZB-Chefökonom Philip Lane die aktualisierten Stabsprojektionen zu Wachstum und Inflation dem Gremium vorstellen. Denkbar sind hierbei sowohl eine etwas niedrigere Inflations- als auch eine geringere Wachstumsrate in der Eurozone und dies würde zu den bisher bekannten Prognosen anderer Institutionen passen. Jedoch wird der bald scheidende EZB-Präsident Mario Draghi nicht nur dazu Stellung nehmen, sondern auch die Zinsgestaltung der neuen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO3) bekanntgeben. Ob er auf der Pressekonferenz auch noch eine Anpassung der Forward Guidance vornehmen wird, bleibt abzuwarten. Viele Marktteilnehmer erwarten weiterhin ein „Einfrieren“ der Zinsen auf dem jetzigen Niveau bis Ende 2019 und somit eine Geldpolitik der ruhigen Hand. Jedoch mehren sich auch die Stimmen, dass wenn nicht heute, so dann in naher Zukunft die Wortwahl angepasst wird, auf mindestens März 2020. Lediglich über den Zeitpunkt der neuen Wortwahl unterscheiden sich hierbei die Volkswirte der Nordea (Jan von Gerich) und vom Bankhaus Lampe (Alexander Krüger).
Noch wichtiger wird allerdings sein, ob es Mario Draghi auf seiner Abschiedstour angesichts der sich zuspitzenden Situation in Italien und aller anderen Themen gelingt, Zuversicht zu verbreiten. Sollte das misslingen, so werden Panik und Hysterie sich breitmachen. Ab 14:30 Uhr wissen wir mehr!