London hat schon jetzt verloren
Der „Deadlock“ in der Brexit-Debatte ist bekannt. Das britische Parlament akzeptiert Theresa Mays Austrittsvereinbarung nicht, die Abgeordneten wollen den sogenannten „Backstop“, der eine harte Grenze zu Irland verhindern soll, kippen. Das aber ist mit der EU nicht zu machen. Die Premierministerin beschwört zwar immer wieder, reichlich realitätsfern, die Formel von den Nachverhandlungen, macht aber selbst keine konstruktiven Vorschläge und das ist auch die Erwartungshaltung für ihren erneuten Besuch in Brüssel am heutigen Donnerstag. Zwar beteuert May, dass sie eine Rückkehr zu den Grenzen der Vergangenheit in Irland nicht zulassen werde, aber es bleibt ihr Geheimnis, wie sie dies ohne „Backstop“ gegen die Hardliner ihrer Tory-Partei verhindern will.
Wird noch die Notbremse gezogen?
Nun also fordern mehrere Minister in London, den Brexit zu verschieben, wie die Zeitung „Telegraph“ berichtet. Statt am 29. März soll demnach das Vereinigte Königreich am 24. Mai die EU verlassen - also denkbar knapp vor einer ansonsten abzuhaltenden Europawahl. Diese Gnadenfrist soll jedoch nur dann notwendig sein, wenn der ausgehandelte Deal vorher angenommen wurde und lediglich dazu dienen, notwendige Gesetze zu erlassen. Doch was passiert, wenn auch diese Verlängerung keine Klarheit schafft? Würde man dann sogar die Notbremse ziehen? Das Chaos wäre perfekt!
Finanzindustrie zieht Konsequenzen
Um Schlimmes für den Finanzplatz London zu verhindern, kann es aber schon zu spät sein. „Deal or no Deal“ – die Finanzindustrie scheint das Hick-Hack um den EU-Austritt der Briten satt zu haben. Wie eine Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) verdeutlicht, wird das Finanzzentrum an der Themse schrumpfen, egal wie die Sache ausgeht. Demnach planen Unternehmen aus der Finanzbranche, etwa 900 Mrd. € aus London abzuziehen. Dies ist laut EY sogar eine vorsichtige Schätzung und die tatsächliche Summe könnte demnach um einiges höher ausfallen. Darüber hinaus dürften rund 7.000 Jobs in Londons Finanzindustrie wegfallen. Ähnliche Ergebnisse hat auch eine Studie von Bloomberg geliefert.
London verliert dauerhaft Marktanteile
Damit wird klar, dass hier ein Zug ins Rollen gebracht wurde, der kaum mehr aufzuhalten ist. Die Finanzindustrie kann sich einfach nicht darauf verlassen, ob im letzten Augenblick doch noch eine Lösung gefunden wird. Das Ganze ist umso verwunderlicher, weil es die traditionell wirtschaftsnahen Tories doch besser hätten wissen müssen. Aber die Illusion einer nationalistischen Variante von „Make Britain great again“ hat hier offenbar vielen den Sachverstand geraubt. Natürlich wird London, wo 1,1 Millionen Menschen im Finanzdienstleistungssektor beschäftigt sind, ein starker Finanzplatz bleiben. Aber es dürften schon jetzt Marktanteile dauerhaft verloren sein. Das ganze Ausmaß wird aber erst in vielen Jahren zu beziffern sein und könnte im schlimmsten Fall der geographischen Trennung vom Festland entsprechen.
Weidmann noch nicht ganz aus dem Rennen
Es mag auf den ersten Blick verwundern, dass der italienische Finanzminister nichts gegen Bundesbank-Chef Jens Weidmann an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) hätte. Schon mehrfach hatte sich Giovanni Tria gegen die Kapriolen der populistischen Regierung in Rom positioniert, wenn diese mal wieder gegen jeglichen ökonomischen Sachverstand agiert hatte. Trias Aussage, er sei gegenüber Weidmann unvoreingenommen, passt dennoch nicht zu seiner Kritik der Vergangenheit. Jedoch bedeutet es zugleich, dass Weidmann doch noch nicht ganz aus dem Rennen für die Nachfolge von EZB-Chef Mario Draghi ist.
Noch keine offizielle Kandidatur
Offiziell hat immer noch kein europäischer Notenbanker seinen Hut in den Ring für den Chefposten, der Ende Oktober neu zu besetzen ist, geworfen. Zuvor nimmt im Mai der belgische Chefökonom Peter Praet seinen Hut bei der EZB, den wohl der Ire Philip Lane beerben wird. Im Dezember steht die Nachfolge des französischen Direktoriumsmitglieds Benoît Couré an.
Theoretisch ist noch alles möglich
Nachdem den EZB-Chefposten bisher ein Holländer, ein Franzose und ein Italiener innehatten, wäre eigentlich nun ein Deutscher am Zuge. Bekanntlich liebäugelt die Bundesregierung aber damit, den Posten des EU-Kommissionspräsidenten zu besetzen, wofür Manfred Weber (CSU) ins Rennen geschickt werden soll. Diese Verlagerung des politischen Schwerpunkts hat natürlich Weidmanns Chancen für die Draghi-Nachfolge deutlich reduziert. Dennoch, solange kein Notenbanker seine Kandidatur offiziell verkündet hat, ist theoretisch noch alles möglich.
Auch Weidmann müsste mit den Realitäten der Staatsverschuldung in Europa zurechtkommen
Allerdings könnten deutsche Sparer von einem EZB-Präsidenten Weidmann, dessen Kompetenz als unbestritten gilt, keine Wunderdinge erwarten. Auch er müsste mit den Realitäten der Staatsverschuldung in Europa zurechtkommen und könnte nicht von heute auf morgen wieder für spürbare Zinserhöhungen sorgen. Vor dem Hintergrund solch hoher Erwartungen ist also durchaus die Frage erlaubt, ob sich Weidmann mit dem Job des EZB-Chefs überhaupt einen Gefallen tun würde. Aber ohne Zweifel, für die Kapitalmärkte und das Vertrauen in eine verlässliche Geldpolitik wäre Weidmann an der EZB-Spitze ein starkes Signal.
Portugal wird für ein kleines Wirtschaftswunder vom Markt belohnt
Knapp fünf Jahren ist es her, seit Portugal wieder an die Finanzmärkte zurückkehrte. Damit war das 78 Mrd. € schwere Hilfsprogramm des Euro-Rettungsschirms und des IWFs, welches das Land vor der Pleite bewahrt hat, zu Ende. Seitdem ist viel passiert am westlichen Rand von Europa. Die Wirtschaft ist viermal in Folge gewachsen, zuletzt um 2,7%. Gleichzeitig sank die Arbeitslosenquote bis 2018 von mehr als 17% auf 6,8% - mit der Folge, dass junge Portugiesen wieder ins Land zurückdrängen. So mancher spricht von einem kleinen Wirtschaftswunder.
Boom im Tourismus sorgt für Schub
Nach mehr als drei Jahren an der Regierung kann sich deshalb der Sozialdemokrat António Costa in seinem Kurs bestätigt fühlen. Er hatte nach seinem Amtsantritt den Mindestlohn erhöht, Gehaltskürzungen und Sondersteuern aus den Krisenjahren zurückgenommen und die 35-Stunden-Woche im öffentlichen Dienst wieder eingeführt. Dies sorgte in Brüssel zunächst für Unmut. Doch Costa konnte dennoch den Sparkurs der Vorgängerregierung beibehalten, etwa durch Kürzungen im Gesundheitswesen. Und gleichzeitig sorgte seine Sozialpolitik für einen Konsumschub im Inland. Hinzu kam ein Boom im Tourismus, der dem kleinen Land jährlich mehr als 24 Mio. Besucher beschert.
Verschuldung sinkt
Dass die Rechnung in Lissabon bisher aufgegangen ist, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Staatsverschuldung des Landes, die Costa kontinuierlich drücken konnte. So liegt die Quote mit 125,5% des BIP zwar immer noch sehr hoch, ist aber - wie vom IWF prognostiziert - tendenziell rückläufig. Lag der Wert doch 2014 noch bei 131,3%.
Kapitalmarkt erfreut die positive Entwicklung
Die Anerkennung durch den internationalen Bonitätswächter folgte prompt. Im Oktober 2018 hatte Moody’s als letzte der großen Ratingagenturen die Kreditwürdigkeit des Landes um eine Note auf „Baa3“ angehoben – mit stabilem Ausblick. Damit hatte Portugal das Gütesiegel „Investment Grade“ zurück. In der Folge ist der Renditespread bei zehnjährigen Staatsanleihen gegenüber „Bunds“ auf aktuell ca. 151 BP gesunken. Entsprechend rentiert ein bis 6/2029 laufender Titel aus Lissabon (A2RWF6) bei einem Kurs von 102,818% mit aktuell rund 1,65%. Den Kapitalmarkt erfreut also die positive Entwicklung Portugals.
Trumps Sanktionen machen Venezuela zu schaffen
Der Machtkampf in Venezuela nimmt immer globalere Züge an und führt inzwischen zu einem fast vollständigen Erliegen der Handelbarkeit von Anleihen Venezuelas und dort beheimateter Unternehmen. Denn die USA haben gegenüber der venezolanischen Ölindustrie Sanktionen verhängt und somit die wichtigsten Einnahmequellen des Landes ins Visier genommen. Die Strafmaßnahmen sind vorerst zeitlich nicht begrenzt und sollen gelten, bis eine neue Regierung die Amtsgeschäfte übernimmt.
Land droht im Chaos zu versinken
Nachdem sich der oppositionelle Parlamentspräsident Juan Guaidó zum Übergangspräsidenten erklärt hat, ist ein Machtkampf mit dem noch nicht abgewählten Präsidenten Nicolás Maduro entbrannt, was das Land zunehmend im Chaos versinken lässt. Die Weltgemeinschaft ist nun allerdings aufgefordert, eine Lösung des Konfliktes zu initiieren. Jedoch wird dies nicht dadurch erreicht, dass einzelne Staaten den Interimspräsidenten als Repräsentanten anerkennen und andere Regierungen dem bisherigen Machthaber weiterhin die Treue halten.
Duldung des Militärs als Voraussetzung für humanitäre Hilfe
Dadurch wird es nicht einfach werden, eine friedliche Lösung des Konflikts bei einer in der kommenden Woche in Washington stattfindenden Geberkonferenz zu finden. Ziel soll hierbei sein, die humanitäre Hilfe für Venezuela zu organisieren. Dazu sollen die Hilfslieferungen sowohl grenznah in Kolumbien als auch in Brasilien gesammelt werden. Um die Güter allerdings ins Land bringen zu können, bedarf es der Duldung des Militärs, welches die Grenzen kontrolliert.
Venezuelanische Bonds nur noch vereinzelt handelbar
Donald Trump, der wie einige westliche Regierungen die Übergangsregierung bereits anerkannt hat, ist mit den Sanktionen auf direkten Konfrontationskurs zu Maduro gegangen und hat allen möglichen finanziellen Unterstützungen Venezuelas somit einen Riegel vorgeschoben. Dies hat zur Folge, dass auch die an den deutschen Regionalbörsen gehandelten Anleihen Venezuelas und der Petróleos de Venezuela (PDVSA) bis auf weiteres ausgesetzt wurden. Denn aus Angst vor Sanktionen, wie man sie aus der Iran-Krise bereits kennt, werden auch im Interbankenhandel keine handelbaren Preise mehr gestellt.