Was haben Notenbanker und Autofahrer im Winter gemeinsam?
Auf schneeglatten Fahrbahnen, wie sie momentan im Süden der Republik gang und gäbe sind, sollte man alle ruckartigen Geschwindigkeitsanpassungen vermeiden. Dies gilt aber in 2019 nicht nur für Autofahrer, sondern insbesondere auch für Notenbanker, die Änderungen in der Geldpolitik dosiert und mit viel Fingerspitzengefühl vornehmen sollten. Denn jede Leitzinserhöhung oder aber auch Liquiditätsausstattung in jeglicher Form hat Auswirkungen auf die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, Privathaushalte und Staaten. Dieser Tatsache sollten sich alle Akteure an den Finanzmärkten stets bewusst sein.
Powell ist vor Trump nicht eingeknickt
Die geringste Änderung ihrer Geldpolitik wird in diesem Zusammenhang von der Bank of Japan (BoJ) erwartet. Diese bleibt aller Voraussicht nach weiter expansiv. Die anderen vier bedeutenden Notenbanken in den USA, der Schweiz, Großbritannien und der Eurozone werden sicherlich weder nach diesem noch nach einem einheitlichen Muster agieren können. So zeichnet sich in den USA nach der im Dezember 2018 geänderten Forward Guidance immer mehr ab, dass auch zwei Zinsschritte im laufenden Jahr zu optimistisch sind. Dabei aber Jerome Powell zu unterstellen, er sei nach den Tiraden von D. T., dem Unberechenbaren, eingeknickt, wäre schlichtweg falsch. Vielmehr scheinen die Fragezeichen bezüglich der wirtschaftlichen Dynamik in den USA eine abwartende Haltung bei den US-Notenbankern zu erzeugen. So hat jüngst der Chef der Atlanta Fed, Raphael Bostic, offen ausgesprochen, was am Markt bereits erwartet wird. Zuerst sollte man jetzt die bisherigen Maßnahmen zur Entfaltung kommen lassen und nur noch mit maximal einer Zinserhöhung rechnen. In ähnlicher Art und Weise haben sich inzwischen auch sein Kollegen James Bullard sowie Charles Evan geäußert und in den gestern Abend veröffentlichten Fed-Minutes wird sogar von Geduld bei der weiteren geldpolitischen Straffung gesprochen.
Unsicherheitsfaktoren in Euroland
In der Eurozone hingegen verdichten sich die Anzeichen, dass eine mögliche Anpassung des Strafzinses in 2019 nur als „Goodwill-Aktion“ zu deuten wäre und auch noch nicht als ausgemachte Sache anzusehen ist. Die vielen Unsicherheitsfaktoren können eine solche Entscheidung noch verhindern, denn mit Brexit, Europawahlen, Parlamentswahlen in Griechenland sollen hier nur einige genannt werden. Vergessen sollte man in diesem Umfeld aber auch nicht den durch die Handelsstreitigkeiten gebremsten Welthandel, was bereits seitens der Weltbank eine Senkung der Wachstumsprognosen nach sich zog. Auch wenn es die Verantwortlichen der Schweizerischen Notenbank (SNB) nicht gerne hören werden, so ist ihr Schicksal doch sehr eng mit der Zinspolitik der EZB verbandelt. Und somit wird uns auch hier der negative Einlagenzins noch länger als gewünscht erhalten bleiben.
Brexit wirft Schatten auf BoE
Was die Geldpolitik der Bank of England (BoE) angeht, so ist dort infolge der nahenden Entscheidung über den Brexit sicherlich die größte Unsicherheit zu verspüren. Denn um die Wirtschaft Großbritanniens zu stabilisieren, könnten trotz eingekaufter Inflationsrisiken sogar Zinssenkungen als Stimuli angebracht sein. Sicherlich ist der britische Notenbankchef nicht glücklich über diese Situation, aber zumindest an den Finanzmärkten vertraut man auf die Erfahrung des bereits seit dem 1. Juli 2013 amtierenden Governor der BoE, Mark Carney, der schon 2016 den Austritt Großbritanniens aus der EU als das „größte Risiko für die Finanzstabilität Großbritanniens“ bezeichnete.
Man darf also durchaus gespannt sein, welcher Notenbanker über wieviel Gefühl im Fuß verfügt und somit Gas geben und bremsen richtig dosieren kann.
USA: Eine Nation in Geiselhaft
18 Tage, nachdem Teile der US-Regierung wegen des aktuellen Haushaltsstreits lahmgelegt worden sind, wandte sich D. T., der Unberechenbare, in einer ersten Live-TV-Ansprache an die Nation. Lösungsansätze dafür, den Government-Shutdown abzuwenden, ließ er dabei allerdings vermissen. Knackpunkt ist bekanntlich die Mauer, die er an der Grenze zu Mexiko für 5,7 Mrd. USD bauen will – Geld, das die Demokraten im Kongress partout nicht genehmigen wollen. Noch im Wahlkampf hatte Trump ja getönt, er wolle Mexiko selbst für die Mauer zur Kasse bitten.
US-Präsident ersetzt den Begriff Mauer durch Barriere
Bemerkenswert war nun, dass der US-Präsident den Begriff Mauer nicht mehr erwähnt hat und ihn durch das Wort „Barriere“ ersetzt hat. Ohne allzu optimistisch wirken zu wollen, könnte dies doch das Schlupfloch für einen Kompromiss darstellen. Denn auch die Demokraten wollen die Grenze besser sichern, allerdings mit neuen Technologien, einer besseren Infrastruktur und mehr Personal. Sollte also eine wie immer geartete „Barriere“ der Schlüssel zur Aufweichung der verhärteten Fronten zwischen Republikanern und Demokraten sein?
Trump macht Demokraten für Government-Shutdown verantwortlich
Zumindest aktuell sieht es nicht so aus. So macht Trump die Demokraten für die Finanzsperre verantwortlich, weil sie „keine Grenzsicherheit finanzieren wollen“, wie er behauptet. Die Wahrheit sieht anders aus. Bereits Ende 2018 hatte der Kongress ein Gesetz verabschiedet, das die Regierungsgeschäfte vorläufig finanziert hätte, also kein Government-Shutdown nötig gewesen wäre. Geld für den Bau einer Mauer war dabei aber nicht vorgesehen. Trump hat dann kurzfristig eine Kehrtwende vollzogen und trotzig seine Unterschrift verweigert.
Demokarten wollen Regierung wiedereröffnen und dann über Grenzsicherung reden
Da klingt der Vorschlag von Chuck Schumer, Minderheitsführer der Demokraten im Senat, doch schon vernünftiger, der die beiden Themen voneinander trennen will. Sein Appell lautet deshalb, die Regierung wieder zu öffnen und dann in Ruhe über die Differenzen bei der Grenzsicherung zu reden. Trump hatte noch im Dezember getönt, er werde „stolz“ sein, einen möglichen Shutdown herbeizuführen. Aber damit nimmt er die ganze Nation in Geiselhaft. Auch die 380.000 Bundesangestellten im Zwangsurlaub und die weiteren 420.000, die vorerst ohne Bezahlung arbeiten müssen, erwähnte Trump bei seiner Rede an die Nation nicht. Das gestrige, kurzfristig anberaumte Gespräch zwischen den beiden Parteien endete mit einem Eklat. Der US-Präsident brach das Gespräch ab und sprach anschließend von Zeitverschwendung. Manches erinnert an den kaukasischen Kreidekreis von Bertolt Brecht.
Im Banne der Handelsgespräche
Wie gebannt starren die Kapitalmärkte seit Monaten auf die Entwicklung des Handelskriegs zwischen den USA und China. Nun wartet man auf die Ergebnisse der Verhandlungen, die eine US-Delegation in dieser Woche mit China in Peking geführt hat. Betrachtet man die Reaktion der Börsen, so gehen die Kapitalmärkte von einer Entschärfung des Handelsstreits aus. Anders wären die Kursgewinne an den Aktienmärkten der vergangenen Tage nicht zu erklären. Nicht zuletzt die Äußerung von D. T., dem Unberechenbaren, wonach die Verhandlungen „sehr gut“ laufen würden, hatte zu Optimismus geführt.
Aktuell erheben die USA zur Bestrafung Chinas wegen vermeintlich unfairer Handelspraktiken Zusatzzölle in Höhe von 25% auf chinesische Waren mit einem Importwert von 50 Mrd. USD und von 10% auf Waren über 200 Mrd. USD. Sollten die Gespräche nicht zum Erfolg führen, wird im März der amerikanische Zusatzzoll auf chinesische Importe mit einem Handelswert von 200 Mrd. USD von 10% auf 25% erhöht. Als Reaktion erhebt China derzeit Zusatzzölle auf amerikanische Güter im Wert von 110 Mrd. USD. Insgesamt sind also 360 Mrd. USD an chinesischen und amerikanischen Gütern von den gegenseitigen Zöllen betroffen, was mehr als die Hälfte des 2017 verzeichneten bilateralen Güterhandelsvolumens darstellt.
Bremsspuren in der Weltwirtschaft
Ungeachtet dessen, wie die Handelsgespräche ausgehen, hat der Handelskrieg, den Trump losgetreten hat, doch seine Bremsspuren in der Weltwirtschaft hinterlassen. Die Strafzölle treiben die Kosten in die Höhe, sowohl in China, aber auch in den USA und dem Rest der Welt. Ob dies zu einem Einlenken der Kontrahenten führt, muss sich zeigen. Es bleibt jedenfalls zu wünschen, dass es im Welthandel künftig gar keiner Zölle mehr bedarf, sondern allein die Qualität der Güter und Dienstleistungen für den Handelserfolg ausschlaggebend sein mag.
Am heutigen Donnerstagmorgen sollen nach chinesischen Medienberichten die Ergebnisse des Treffens präsentiert werden. Wann dann allerdings die amerikanische Seite via Twitter diese Meldungen kommentieren, dementieren oder bestätigen wird, ist noch unklar.
Verschiebung des Brexits wird hinter den Kulissen diskutiert
Man hat sich fast schon daran gewöhnt, dass der Druck auf die britische Premierministerin in Sachen Brexit von Tag zu Tag steigt. Vor der für den 15. Januar angesetzten Abstimmung des Parlaments musste Theresa May nun eine erneute Schlappe hinnehmen. So setzten die Abgeordneten durch, dass die Regierung ausdrücklich die Zustimmung des Parlaments für einen Austritt aus der EU ohne Deal benötigt, bevor sie auf bestimmte Befugnisse bei der Steuer-Gesetzgebung zurückgreifen kann.
Mays Chancen sind gesunken
Bekanntlich hatte May die bereits für Dezember angesetzte Abstimmung über ihre Vereinbarung mit der EU verschoben, weil sie mit keiner Zustimmung rechnen konnte. Seitdem sind die Chancen für ein Votum zugunsten von Mays Deal nicht gestiegen. Im Gegenteil, eine Niederlage für May gilt hier als sicher. Sollte Großbritannien dann freilich in eine Situation ohne Deal mit Brüssel hineinschliddern, drohen chaotische Verhältnisse. Kein Wunder, dass die britische Regierung derzeit für den Brexit-Superstau probt. Während derzeit in Dover bei einem Wert von 10.000 Lkw für die Abfertigung pro Fahrzeug zwei Minuten benötigt werden, würden sich bei der Einführung von Grenzkontrollen gigantische Rückstaus bilden.
Brüssel offen für eine Verlängerung
Vor diesem Hintergrund macht die Idee einer Verschiebung des Brexits sowohl in London als auch in Brüssel die Runde. So berichtet es zumindest der „Daily Telegraph“. Demnach arbeiten beide Seiten hinter den Kulissen an Plänen, Großbritannien wegen der verfahrenen innenpolitischen Lage doch noch über den geplanten Austrittstermin, den 29. März, hinaus in der EU zu halten. Man wäre zumindest offen für eine Verlängerung, wenn London danach fragen würde, heißt es in Brüssel.
Auch die einseitige Rücknahme des Brexits durch die Briten wäre immer noch eine Option. Wie der Europäische Gerichtshof bereits im Dezember 2018 festgestellt hat, könnte London von sich aus den Exit vom Brexit erklären. An der EU-Mitgliedschaft des Landes, samt den beträchtlichen Ausnahmen, die es über die Jahrzehnte ausgehandelt hat, würde sich auch nichts ändern.
Kein Ausweg aus dem Brexit-Dilemma in Sicht
Nichts scheint in Sachen Brexit also mehr unmöglich. Vielleicht ließe sich ja auch eine Verschiebung des Austrittstermins mit einem zweiten Referendum, das May allerdings ablehnt, und ihrem Abschied von der politischen Bühne koppeln. Ein konkreter Ausweg aus dem Dilemma ist nicht in Sicht und alle Lösungsansätze basieren auf Spekulationen und werden der Dimension der Entscheidung nicht gerecht.