Mister null Prozent bleibt sich treu
Der Leitzins bleibt bei null, mindestens bis Jahresende. Dies hatte der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) vergangene Woche nach der Sitzung des geldpolitischen Rates angekündigt. Damit wird Mario Draghi der erste EZB-Präsident sein, der in seiner Amtszeit keine einzige Zinserhöhung vorgenommen hat. Es ist zu erwarten, dass die Zinsen damit frühestens im Laufe des Jahres 2020 angehoben werden, und wenn, dann höchstens in Trippelschritten. Auch der Einlagezins der Banken bei der EZB von minus 0,4% dürfte in diesem Zeitraum auf seinem Niveau verharren. Klar ist damit, dass die Zinsmargen der Finanzindustrie in Euroland weiter unter Druck bleiben. Ebenso müssen sich Sparer weiterhin noch lange Zeit mit Mini-Zinsen begnügen. Kreditnehmer oder Immobilienerwerber profitieren dagegen von den niedrigen Zinsen.
Draghi überrascht mit früher Neuauflage von TLTRO
Sein Niedrigzinspulver hat er also längst verschossen. Draghi wäre aber nicht Draghi, wenn er nicht noch ein anderes Mittel in Petto gehabt hätte. So kündigte er für manche zu diesem Zeitpunkt überraschend neue Unterstützung für die europäischen Banken an, langfristige Kredite für die Banken im Euroraum aufzulegen, kurz TLTRO III. Diese werden zu günstigeren Konditionen als sonst üblich zur Verfügung gestellt, wenn die Institute das Geld als Kredite an Unternehmen weitergeben. Am Ende sollen auf diese Weise die Unternehmen zu mehr Investitionen animiert werden. TLTRO III, das dritte Programm seiner Art seit 2014, soll im September beginnen und bis März 2021 laufen. Seit der Erstauflage von TLTRO hat die Notenbank mehr als 700 Mrd. € in die Wirtschaft geschleust. Die neuen Geldspritzen dürften vor allem Banken im krisengeplanten Italien zugutekommen, die bereits in der Vergangenheit stark bei derartige Darlehen zugegriffen hatten.
Europäische Wirtschaft gegen Risiken wappnen
Draghis Absicht, die hinter den neuen Maßnahmen steckt, ist klar: Er will mit den neuen Maßnahmen die europäische Wirtschaft gegen externe Gefahren wappnen. Man könne diese Risiken allerdings nicht aus der Welt schaffen, machte der EZB-Chef klar und verwies auf Unsicherheiten durch die Brexit-Entwicklung, den schwelenden Handelsstreit zwischen China und den USA und eine sich abzeichnende wirtschaftliche Abkühlung in diesen beiden wichtigen Märkten. Außerdem nannte Draghi vereinzelte Probleme innerhalb der Eurozone wie die schwächelnde deutsche Autoindustrie oder die Probleme mit der Regierung in Italien.
Inflation bleibt deutlich unter zwei Prozent
Die EZB ersetzt mit TLTRO III Kredite des Vorgängerprogramms, die ab 2020 nach und nach fällig werden. Draghi begründete die Maßnahme mit einer Abschwächung der Konjunktur in der Eurozone und dem Umstand, dass sich die Teuerungsrate nur langsam der von der EZB angepeilten Rate von knapp 2% annähert. Die Verbraucherpreise sollen nun 2019 nur um 1,2% steigen und 2020 um 1,5%.
Draghi betonte aber, dass die Eurozone von einem Abschwung noch etwas entfernt sei. So rechnet die EZB für 2019 noch mit einem Wachstum von 1,1%. Für das kommende Jahr geht die Notenbank von 1,5% statt 1,6% voraus.
Powell als ruhender Pol
Die Art von Jerome Powell stellt einen Gegenpol zu D. T., dem Unberechenbaren, dar. Im Gegensatz zum sprunghaften, irrationalen Vorgehen des US-Präsidenten vermittelt der US-Notenbankchef Ruhe und Vernunft. So hat Powell vor der in der nächsten Woche anstehenden Zinssitzung seine abwartende Haltung in der Geldpolitik einmal mehr bekräftigt. Die Zentralbank sei „not in a hurry“, die Zinsen zu verändern, sagte er dem Sender CBS. Deren Niveau kennzeichnet er als „angemessen“ und „ungefähr neutral“.
Fed-Chef bleibt unbeirrt
Ganz nebenbei hat sich der Fed-Chef dann auch noch unbeirrt gegenüber Donald Trump gegeben, der Powell immer wieder angegriffen hatte. Das Gesetz besage eindeutig, dass seine Amtszeit vier Jahre betrage, sagte Powell, ohne auf die Äußerungen von Trump konkret einzugehen. Und: Er sei entschlossen, seine Amtszweit auch zu erfüllen. Damit bleibt Powell seinem Ruf als unabhängiger, ruhiger Pol in einer turbulenten Zeit treu. Und genau das mögen die Märkte.
Kommende Woche aktualisiert Fed ihren Zinsausblick
Die abwartenden Äußerungen von Powell bedeuten aber nicht zwangsläufig, dass die Fed kommende Woche die Option eines weiteren Zinsschritts im Juni schon vom Tisch nehmen wird. Nach vier Erhöhungen im Jahr 2018 hatte die Fed für das laufende Jahr zwei weitere avisiert. Man darf auf nächste Woche gespannt sein, wenn die Notenbank ihren Zinsausblick aktualisieren wird. Sicherlich wird sich Powell hierbei alle Möglichkeiten offenlassen, solange die kritischen Themen wie Handelskonflikt und Brexit nicht einigermaßen ordentlich gelöst sind.
Lane berät künftig Draghi
Bekanntlich steht sowohl in der Europäischen Union als auch bei der Europäischen Zentralbank (EZB) die Neubesetzung mehrerer Schlüsselpositionen an. Für die Nachfolge von EZB-Chef wird neben EZB-Direktor Benoit Coeure oder dem ehemaligen finnischen Notenbank-Chef Erkki Liikanen zwar immer noch Bundesbank-Chef Jens Weidmann genannt. Aber aufgrund dessen kritischer Position gegenüber einer expansiven Geldpolitik stehen dessen Chancen bekanntlich schlecht. Hinzu kommt, dass es der Bundesregierung offenbar lieber ist, den Posten des Kommissionspräsidenten mit einem Deutschen zu besetzen als die EZB-Spitze.
Der Ire Philip Lane weist eine akademische Karriere auf
Indessen haben sich die Finanzminister der Eurozone bei der Besetzung einer anderen Position auf eine Person geeinigt: Der irische Zentralbankgouverneur Philip Lane wurde als Kandidat für den im Mai neu zu besetzenden Posten des Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB) nominiert. Der 49-jährige Lane ist damit einziger Kandidat für die Nachfolge des bisherigen EZB-Chefvolkswirts Peter Praet. Final entscheiden die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel am 20. und 21. März über die Personalie. Lane, der künftig den EZB-Präsidenten beraten wird, weist als ehemaliger Professor für politische Ökonomie am Trinity College in Dublin eine akademische Karriere auf. Außerdem war er als wirtschaftswissenschaftlicher Berater für IWF, Weltbank, OECD und die EU-Kommission aktiv.
Zumindest hat sein Club gestern gesiegt
Besonders interessant ist, dass Lane 2011 unter anderem zusammen mit dem deutschen Ökonomen Markus Brunnermeier eine neue Art von Euro-Bonds (ESBies) vorgeschlagen hatte, die ohne gemeinsame Haftung auskommen sollen. Lane leitete auch im Auftrag des Europäischen Rats für Systemrisiken (ESRB) 2016 eine Arbeitsgruppe zu derartigen Anleihen. Eine indirekte Verbindung zu einem deutschen Fußballtrainer pflegt Lane als Fan des englischen Fußballclubs FC Liverpool.