Es droht die „Meuterei auf der Insel“
Ok, die Brexit-Unterhändler der EU und Großbritanniens haben sich auf einen Entwurf für ein Austrittsabkommen verständigt. So gesehen, steigt weißer Rauch auf, wie es der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, formuliert hat. Man hat sich auf einen 400-seitigen Entwurfstext für den EU-Austritt geeinigt, der die Bedingungen des Brexit festschreibt und beiden Seiten eine zweijährige Übergangsfrist garantiert, bis ein neues Freihandelsabkommen in Kraft tritt. Demnach soll von März 2019 bis Dezember 2020 das Vereinigte Königreich weiter im Binnenmarkt und in der Zollunion verbleiben, um einen allzu harten Bruch, einen harten Brexit, zu vermeiden. Gleichzeitig würde eine Rückkehr zu einer festen Grenze zwischen Irland und der britischen Provinz Nordirland vermieden werden.
Der Deal ist noch nicht in trockenen Tüchern
Aber das heißt noch lange nicht, dass damit ein geregelter Brexit in trockenen Tüchern ist. Denn insbesondere aufgrund der schwierigeren politischen Situation in London ist das Thema eine Gleichung mit mehreren Unbekannten, weshalb Brüssel wohl auch nicht von einem Deal spricht.
Denn für Theresa May fängt der eigentliche Kampf jetzt erst an. Nicht von Ungefähr hat sich die Premierministerin jeden einzelnen ihrer Minister in Downing Street Nummer 10 persönlich vorgeknöpft. Das hat anscheinend gefruchtet, denn bereits gestern Abend hat die britische Regierung den Entwurf gebilligt und damit den Weg für einen EU-Sondergipfel am 25. November freigemacht, auf dem die Staats- und Regierungschefs das Brexit-Abkommen dann formell billigen können. Eine entsprechende Einladung nach Brüssel wurde inzwischen von EU-Ratspräsident Donald Tusk ausgesprochen.
Der Schlüssel liegt in London
Jedoch folgt dann mit der anstehenden Abstimmung im britischen Unterhaus erst der heikelste Schritt. Schließlich bestehen große Zweifel, ob May im Parlament eine Mehrheit für den Deal erringen kann. Hört man die Brexit-Hardliner lautstark tönen, ist eine „Meuterei auf der Insel“ nicht auszuschließen. Kurz nachdem May eine Einigung verkündet hatte, sprach Ex-Außenminister Boris Johnson von „einem völlig inakzeptablen Deal“, ohne wohl die 400 Seiten des Entwurfs schon gelesen zu haben.
Damit liegt der Schlüssel für das Gelingen eines geregelten Austritts in London, nicht in Brüssel. Denn sollte keine Mehrheit in Westminster zustande kommen, stünde ein Austritt ohne Abkommen bevor, mit chaotischen Folgen für alle Lebensbereiche. Gleichzeitig würde dies wohl das Ende der Regierung May bedeuten, aber das kann auch schon früher passieren. Die als Durchbruch von May bezeichnete Einigung bedeutet also noch lange nicht, dass man Gewissheit über einen Deal hat.
Deal or no Deal – das ist hier die Frage
Somit sind auch Neuwahlen oder ein zweites Brexit-Referendum nicht auszuschließen. Sollte es zu einem ungeordneten Austritts Großbritanniens kommen, hat die die EU-Kommission bereits einen Notfallplan beschlossen. Zum eigentlichen B-Day wird dann der Tag der Parlamentsabstimmung im Dezember, an dem über die Frage "Deal or no Deal" entschieden wird. Ohne Deal wäre Großbritannien mit dem 29. März 2019 beim Warenaustausch als Drittstaat nach den WTO-Regeln zu behandeln. Diese sind wesentlich ungünstiger als die Regeln des Binnenmarkts, die keine Kontrollen und Zölle vorsehen.
Comeback der Inflation
Die Teuerung in Deutschland zieht so stark an wie seit gut zehn Jahren nicht mehr. Im Oktober lagen die Preise um 2,5% höher als vor einem Jahr. Noch im September betrug die Inflationsrate 2,3%, im August 2,0%. Insbesondere um 8,9% steigende Energiepreise sorgten für den Teuerungsschub. Unter Ausschluss der Energiekosten hätte die Inflationsrate im Oktober bei 1,7% gelegen. Dadurch wird also wieder ein Teil der erzielten Lohnsteigerungen durch die Inflation aufgefressen. Sparanlagen, die falls überhaupt minimal verzinst werden, verlieren hingegen an Wert.
EZB mit wenig Spielraum
Auch im Euroraum lag die Inflationsrate im Oktober mit 2,2% über dem von der EZB angepeilten Zielwert von 2%. Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass die Notenbank die Zinsen vor Herbst 2019 erhöhen wird. Dazu fehlt ihr zu einem großen Teil der Spielraum, weil mehrere Eurostaaten noch hoch verschuldet sind. Konsequente Zinserhöhungen würden die Refinanzierung für alle Eurostaaten schnell verteuern. Und so hat EZB-Chefvolkswirt Peter Praet Anfang der Woche klargestellt, dass die Notenbank auch nach Ende der billionenschweren Anleihekäufe vorerst an ihrer expansiven Geldpolitik festhalten werde. Welche Instrumente wann zum Einsatz kommen, ist dabei die Gretchenfrage!
Italiens Banken greifen in die Trickkiste
Beim jüngsten Stresstest der Europäischen Zentralbank (EZB) war die Banca Carige in Genua als „anfällig“ eingestuft worden. Nun wäre der italienische Bankenrettungsfonds FITD bereit, dem schwächelnden Kreditinstitut unter die Arme zu greifen. Nicht nur dass der FITD Einlagen bis zu 100.000 Euro pro Anleger garantieren kann, auch die fünf größten italienischen Banken erwägen, dem Fonds eine Kreditlinie über 2,7 Mrd. € einzuräumen. Damit will man das Vertrauen der Märkte in das italienische Finanzsystem stärken.
Es drohen höhere Risikoaufschläge für alle Banken
Dies ist auch bitternötig, denn der Streit der EU-Kommission mit Italien über die geplante höhere Neuverschuldung des Landes hat zu einem Ausverkauf italienischer Staatsanleihen geführt. Italienische Banken aber sitzen auf Staatstiteln im Wert von insgesamt 375 Mrd. € und die Bewertungskurse haben bereits deutlich nachgegeben.
Sollte nun die Banca Carige tatsächlich eine Garantie durch den Rettungsfonds FITD benötigen, dürfte dies auch die Risikoaufschläge für alle italienischen Institute nach oben treiben. Vor diesem Hintergrund überlegt man sich, mit einem Griff in die Trickkiste das Schlimmste zu verhindern. Deshalb tüfteln Banken wie die Unicredit an kreativen Lösungen, damit Wert- und Zinsveränderungen bei Staatsanleihen künftig nicht so stark auf die Bilanzen durchschlagen.
Institute gliedern Anleihen in den Bilanzen um
Wie Jean Pierre Mustier, Vorstandsvorsitzender der Unicredit, bei der Präsentation der Drittquartalsergebnisse in Aussicht gestellt hat, will man deren buchhalterische Behandlung ändern. Dazu will man die Klassifizierung der gehaltenen Staatspapiere von „available for sale or trading“ in „held to maturity“ switchen. Bilanztechnisch kann die Bewertung derartiger Anleihen zu ihrem historischen Preis erfolgen. Available-for-sale-Bestände müssen dagegen zum aktuellen Marktpreis bilanziert werden.
Diese Vorgehensweise ist in Bankenkreisen nicht unüblich. Allerdings dürfen Banken ihre Held-to-Maturity-Anleihen bis zur Fälligkeit nicht mehr handeln und können dadurch den günstigsten Verkaufszeitpunkt verpassen.
Italiener wird Chef der europäischen Bankenaufsicht
Momentan hat man den Eindruck, im Finanzsektor hängen alle Themen mit Italien zusammen. Die Tatsache, dass italienische Banken insgesamt faule Kredite im Wert von 264 Mrd. € mit sich herumschleppen, ist hinreichend bekannt. Aber dass ausgerechnet in dieser Situation mit Andrea Enria ein Italiener Chef der europäischen Bankenaufsicht SSM wird, entbehrt nicht einer gewissen Brisanz. Der SSM und somit Enria, der acht Jahre lang die Aufsichtsbehörde EBA geleitet hat, obliegt es nun, über die 125 größten Banken der Euro-Zone zu wachen und im Zweifel Institute auch abzuwickeln. Keine leichte Aufgabe angesichts der Verquickung zwischen Banken und Staat in Italien.
Fed lässt Banken an die lange Leine
Die US-Notenbank steht vor einer regulatorischen Entlastung von Instituten mit Bilanzsummen zwischen 100 und 250 Mrd. US-Dollar. Wie aus einem Entwurf des Boards der Fed hervorgeht, will man diese Institute von der Erfüllung der Liquiditätskennziffer LCR (Liquidity Coverage Ratio) ausnehmen.
Fed leitet bedeutende Deregulierung ein
Auch größere Banken mit Bilanzsummen zwischen 250 und 700 Mrd. US-Dollar können demnach mit weniger strengen Liquiditäts- und Eigenkapitalanforderungen rechnen. Durch diese Absenkung der Sicherheitspuffer würde die Fed Instituten wie U.S. Bancorp. oder Capital One Financial Corp eine längere Leine lassen als bisher. Die Vorschläge, für die Fed-Chef Jerome Powell bereits im Vorfeld der Sitzung am 31.10. seine Zustimmung signalisiert hatte, stellen den bisher bedeutendsten Versuch einer Bankenderegulierung seit der Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump dar. Einzig für die neun größten US-Banken sollen die weicheren Bestimmungen nicht gelten.
Notenbanken im Fokus
Nachdem in der vergangenen Handelswoche das Board der US-amerikanische Notenbank (Fed) den Leitzins einstimmig in der aktuellen Spanne von 2,00 bis 2,25% beließ, wird von den Marktteilnehmern die insgesamt vierte Anpassung in 2018 für die Sitzung am 19. Dezember erwartet. Mit einer Inflationsrate von gut 2% wurde inzwischen der anvisierte Bereich leicht überschritten, so dass auch zukünftig mit weiteren Zinsanpassungen zu rechnen ist. Für 2019 wurden bislang seitens des Fed-Präsidenten Jerome Powell drei weitere Zinsschritte in Aussicht gestellt, da die US-Wirtschaft derzeit immer noch schneller wächst, als es die Notenbanker langfristig für nachhaltig erachten. Diese Sichtweise wird allerdings auch zukünftig bei US-Präsident Donald Trump nicht zu Freudensprüngen führen.
In Japan hingegen kämpft die Notenbank mit ganz anderen Problemen. So war die Wirtschaftsleistung zuletzt wieder leicht rückläufig, was dazu führen wird, dass die Bank of Japan (BoJ) auf absehbare Zeit an ihrer expansiven Geldpolitik festhält.
Warten auf EZB-Sitzung am 13. Dezember
Somit ist zumindest bei diesen beiden Notenbanken vorerst nicht mit gravierenden Änderungen in der geldpolitischen Ausrichtung zu rechnen. Eine solch klare Linie würden sich viele Marktbeobachter auch von der Europäischen Zentralbank (EZB) wünschen. In Ermangelung des finalen Beschlusses zum Ende des Anleihekaufprogramms, der jetzt nur noch auf der Dezember-Sitzung gefasst werden kann, um die Ankündigung des QE-Ausstiegs umzusetzen, wird zuletzt aber auch über eine Verschiebung ins kommende Jahr hinein spekuliert. Eine solche Maßnahme würde die Finanzmärkte zwar sicherlich überraschen, ist aber zur Vermeidung von Marktverwerfungen infolge der Italien-Finanzkrise eine mögliche Variante der Marktstabilisierung. Somit stellt man sich immer häufiger die Frage: Zwingt Italien die EZB in die Knie? Einen ersten Hinweis werden wir bei der turnusmäßigen EZB-Sitzung am 13. Dezember des Jahres erhalten.
In der „staden“ Zeit, also in den letzten Wochen vor Weihnachten und dem Jahresultimo, werden zumindest noch zwei führenden Notenbanken Entscheidungen treffen, welche die Finanzmärkte auch in 2019 noch beschäftigen.