Rom riskiert den Zwist mit Brüssel
Es ist ein Irrglaube, wenn man denkt, dass eine leicht verringerte Renditedifferenz (Spread) zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen eine Entwarnung für die italienische Schuldenkrise bedeutet. Eine anziehende Nachfrage nach den Schuldentiteln aus Rom ließ deren Renditen im zweijährigen Bereich seit Wochenbeginn zwar um 9 BP auf ca. 1,33% fallen, aber die zehnjährigen Bonds rentieren mit 3,57% sogar wieder höher. Der vielbeachtete Spread zu deutschen Bundesanleihen ist zudem wieder über die Schwelle von 3 Prozentpunkten (PP) gestiegen, was ebenfalls ein deutliches Zeichen ist, dass man von einem Befreiungsschlag noch meilenweit entfernt ist.
Defizitquote nicht im Einklang mit Stabilitäts- und Wachstumspakt
Was war geschehen? Die Regierung in Rom hatte gerade noch rechtzeitig ihre Etatplanungen für das kommende Haushaltsjahr in Brüssel eingereicht. Doch mit den neuen Schuldenplänen riskiert die italienische Regierung einen Zwist mit der EU-Kommission. Mit einer geplanten Neuverschuldung von 2,4% des BIPs würde die Koalition aus populistischer 5-Sterne-Bewegung und rechter Lega den Sparkurs der Vorgängerregierung verlassen. Damit liegt die Neuverschuldung zwar unter dem Maastricht-Kriterium von 3%, allerdings würde Italien seine ohnehin schon hohe Gesamtverschuldung in Höhe von 132% des BIPs weiterhin steigern. Daher steht die Defizitquote von 2,4% nicht im Einklang mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt der Gemeinschaft.
Brüssel muss nun reagieren
Die EU-Kommission hat nun ein bzw. zwei Wochen Zeit, darauf zu reagieren. Die spannende Frage wird sein, ob Italien bereits nach einer Woche wegen „besonders schwerwiegender Verstöße“ aufgefordert wird, einen überarbeiteten Haushaltsentwurf vorzulegen. Sollte Brüssel die Pläne lediglich als nicht regelkonform einstufen, so wären sie spätestens zwei Wochen nach Abgabe abzulehnen. Italien hätte dann maximal drei Wochen Zeit zur Nachbesserung und sollte Rom auch in dieser Frist nicht einen regelkonformen Haushaltsplan vorlegen, dann kann die EU ein Defizitverfahren einleiten und dem Land den Zugang zu EU-Mitteln verweigern. Allerdings ist entsprechenden Äußerungen seitens der italienischen Regierungsmitglieder immer wieder zu entnehmen, dass man sich in Rom sehr wohl des eigenen Erpressungspotentials gegenüber Brüssel bewusst ist. Gilt doch Italien als zu groß, um vor einer Staatsinsolvenz gerettet werden zu können. Abgesehen davon wäre eine Ablehnung eines Etatentwurfs innerhalb der EU ein Novum!
Die disziplinierende Kraft der Kapitalmärkte
Bliebe also die faktische Kraft der Kapitalmärkte, die Italien disziplinieren könnte. Schon jetzt muss das Land seine Schulden teuer bezahlen. Und wenn nicht alles täuscht, wird der Preis künftig noch höher sein. Denn seitens der Ratingagenturen bahnt sich für das defizitäre Land neues Ungemach an. So wird erwartet, dass Moody’s bereits Ende des Monats die Bonität Italiens von „Baa2“ auf „Baa3“ absenken wird.
Trump macht Fed zum Sündenbock
Ob die Botschaft D. T., den Unberechenbaren, erreicht hat, darf man bezweifeln. Gemeint ist die Schelte von IWF-Chefin Christine Lagarde, die in wesentlichen wirtschaftspolitischen Fragen auf Distanz zu US-Präsident Donald Trump gegangen ist. Lagarde betonte nicht nur, dass das internationale System des weltweiten Handels nicht zerstört werden dürfe. Sie brach auch eine Lanze für die Unabhängigkeit der Notenbanken. Diese müssten ihre Zinsentscheidungen entsprechend ökonomischer Indikatoren treffen, sagte Lagarde. Wenn das Wachstum stark und die Arbeitslosigkeit extrem niedrig sei, so ihr Credo, müssten die Zentralbanken „die Entscheidungen treffen, die sie treffen".
Notenbank als seine „größte Bedrohung“
Trump lässt indessen nicht davon ab, die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zu attackieren. Die Fed, die in diesem Jahr bereits dreimal den Leitzins in den USA erhöht hat, sei „verrückt geworden“, hatte er vor kurzem verlauten lassen. Nun bezeichnete Trump die Fed unter ihrem Chef Jerome Powell, den er selbst eingesetzt hatte, als „seine größte Bedrohung“, womit auch klar wird, worum es Trump geht. Er fürchtet offensichtlich, dass der Boom in der US-Wirtschaft noch vor den Kongresswahlen am 6. November durch höhere Zinsen gebremst werden könnte. Damit macht Trump vorsorglich die Fed schon jetzt zum Sündenbock für die Zeit, in der die wirtschaftliche Dynamik nachlässt.
USA häufen riesigen Schuldenberg an
Ein Blick auf die Budgetpolitik der USA macht aber auch klar, um was es noch geht. Laut „FAZ“ ist die Neuverschuldung des Landes unter Trump im zurückliegenden Fiskaljahr um 17% auf 779 Mrd. Dollar gestiegen, obwohl er im Wahlkampf noch getönt hatte, das Defizit senken zu wollen. Dafür ist die gesamte US-Staatsschuld auf 21,5 Billionen US-Dollar geklettert – und das in Boomzeiten! Diese basieren allerdings zu einem großen Teil auf Trumps Steuergeschenken von Anfang 2018, deren Rechnung erst später präsentiert werden dürfte. Somit wird klar, was ihn so in Rage bringt. Denn die Fed-Strategie einer restriktiven Geldpolitik bewirkt eine Verteuerung des Schuldendienstes für die USA. Bisher zogen die Zinsausgaben in seiner Amtszeit um 65 Mrd. USD auf 522 Mrd. US-Dollar an. Ergo: Trump finanziert das derzeitige Wachstum in den USA auf Pump!
Erdogan findet das Ei des Kolumbus
Fast 40% hat die türkische Lira seit Jahresbeginn an Wert gegenüber dem US-Dollar und dem Euro verloren, auch wenn inzwischen die Tiefststände u.a. infolge der Pastorenentlassung wieder verlassen wurden. In der Folge ist damit zu rechnen, dass die Inflation bis zum Jahresende sogar auf 35% steigen wird. Nun ist der türkische Staatenlenker Recep Tayyip Erdogan auf die geniale Idee gekommen, die Geldentwertung schlicht und einfach zu verbieten. Der Präsident hat damit so etwas wie das „Ei des Kolumbus“ in Sachen Inflationsbekämpfung gefunden.
Überbringer der schlechten Nachricht wird gefeuert
Wie er das macht? Mehr oder weniger indirekt übt Erdogan Druck auf Unternehmen aus, ihre Preise zu senken. Mehr als 69.000 Produkte von fast 4.000 Firmen hatte die Regierung dazu unter die Lupe genommen. Außerdem wurde der für die Inflationszahlen zuständige Abteilungsleiter des Statistikamtes, der die steigende Geldentwertung verkündet hat, einfach gefeuert. Im Vergleich zur Antike, als die Überbringer schlechter Nachrichten noch um ihr Leben fürchten mussten, scheint das die harmlosere Variante zu sein. Es verdeutlicht allerdings dennoch, dass in der Welt von Sultan Erdogan nicht sein kann, was nicht sein darf. Darüber hinaus muss man auch eine ausgeprägte Realitätsferne besitzen, um zu glauben, die Inflation auf diese Weise bekämpfen zu können.
US-Notenbanker gewähren Einblicke in ihre Gedankenwelt
Mit Spannung wurde am gestrigen Abend die Veröffentlichung der Minutes erwartet, da man sich Einblicke in die weitere Strategie der US-Notenbanker erhoffte. Denn ungeachtet der Tatsache, dass auf dieser Sitzung am 25. und 26. September die bereits an den Finanzmärkten eingepreiste Erhöhung der Fed-Fund-Rate um 25 BP beschlossen wurde, erhoffte man sich Hinweise, wie die FOMC-Mitglieder die Auswirkungen der weiter schwelenden Handelskonflikte einschätzen. Hierzu wurde lediglich angemerkt, dass sich einige Unternehmen bei Investitionen im Energiesektor zurückhalten. Die Einstimmigkeit des Beschlusses sowie die Tatsache, dass nach Meinung der Zentralbanker es angemessen sei, die schrittweise Straffung der Geldpolitik mit einer Zinsanhebung fortzusetzen, lässt die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Zinserhöhung im Dezember des Jahres ansteigen. Zumal Rezessionsgefahren nur am Rande diskutiert wurden und man eher mit einer noch stärkeren US-Konjunktur rechnet.
Darüber hinaus interessierten sich die Marktteilnehmer auch für alle Informationen rund um das Thema „Bilanzrückführung“. Bisher ist man davon ausgegangen, damit mindestens bis zum Ende des Jahres 2020 beschäftigt zu sein. Sollte allerdings die Bilanzschrumpfung schon früher zu Ende sein, so würde das den Aufwärtsdruck auf die Renditen von US-Staatsanleihen mildern. Jedoch wurde hierzu im Protokoll nichts erwähnt und somit muss man abwarten, wann hierzu neue Informationen nachgereicht werden.