Geldschwemme wird nur langsam eingedämmt
Jetzt ist es amtlich. Der expansive Kurs der Geldschwemme durch die Europäische Zentralbank (EZB) neigt sich langsam, sehr langsam ihrem Ende entgegen. Die Notenbank hat erwartungsgemäß das Volumen ihrer monatlichen Anleihekäufe von Oktober an auf 15 Mrd. € halbiert. Ein Ende des insbesondere in Deutschland umstrittenen Programms zum Kauf von Staats- und Unternehmensanleihen sehen die Währungshüter unverändert zum Jahresende 2018 vor. Die Entscheidungen des EZB-Rats in der vergangenen Woche aber machen auch klar, dass die Phase extrem niedriger Zinsen und der damit verbundenen Geldschwemme noch lange anhalten wird. So verharrt der Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von 0,0%. Außerdem müssen Geschäftsbanken weiterhin 0,4% Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken.
Fed dürfte moderaten Zinsanhebungskurs fortsetzen
Auch die britische Notenbank hat ihre Zinsen in der vergangenen Woche nicht angetastet und den Leitzins bei 0,75% belassen. Ebenso bleibt auch die Bank of Japan (BoJ) auf Kurs. Sie setzt ihre extrem lockere Geldpolitik fort. Die Zentralbank beließ den sogenannten kurzfristigen Einlagensatz bei minus 0,1%. In der kommenden Woche folgt am 26.9. die US-Notenbank Fed, die ihren moderaten Zinsanhebungskurs fortsetzen dürfte. Die Zielspanne für die Fed Funds Rate dürfte um 25 BP auf dann 2,00% bis 2,25% erhöht werden. Mit einer weiteren Leitzinsanhebung ist auf der Fed Sitzung Ende des Jahres zu rechnen.
Türkische Zentralbank beweist Mumm
Weil die Türkei als ein Schlüsselland in der Währungskrise der Schwellenländer gilt, starrten die Märkte vergangene Woche gebannt auf die türkische Zentralbank. Aufgrund der Währungsschwäche der türkischen Lira war eine Zinserhöhung nach volkswirtschaftlichem Kalkül zwar geboten, doch wiederholt hatte zuvor Recep Tayyip Erdogan klargemacht, wie wenig er von einer Zinserhöhung halte. Doch trotz der Drohungen des autokratischen Staatschefs hat die Notenbank die Zinsen deutlich angehoben. So wurde der Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld von 17,75% auf 24% überraschend stark erhöht. Darauf reagierte die türkische Lira mit einem Sprung um rund 3%.
Leitzinserhöhung war nur kurze Atempause
Die Zentralbanker, die mit einer ausufernden Inflation zu kämpfen haben, hatten damit Mumm bewiesen, nachdem Erdogan im Vorfeld der Notenbanksitzung gar niedrigere Zinsen gefordert hatte. Für die Zentralbank war die Zinsentscheidung Ende vergangener Woche ein wichtiger Schritt. Ob sie sich auf Dauer unabhängig von Erdogan halten kann, muss sich erst noch zeigen. Die Probleme der Türkei sind aber nicht allein der Zentralbank geschuldet. Eine große Rolle spielt die hohe Auslandsverschuldung und das schwache Wirtschaftswachstum. Dies hat sich bereits diese Woche an den Devisenmärkten widergespiegelt, wo die türkische Lira wieder an Wert verloren hat. Die Leitzinserhöhung war nur eine kurze Atempause für Ankara.
Wird Europa zum lachenden Dritten?
Die Kapitalmärkte trotzen dem eskalierenden Handelsstreit, den D. T., der Unberechenbare, mit China vom Zaun gebrochen hat. An der Wall Street zogen die Kurse zum Wochenbeginn dennoch an, und auch der DAX konnte zulegen. Dagegen waren die als sicherer Hafen geltenden Staatsanleihen weniger gefragt, was an einem bis 8/2028 laufenden Bond (A194FL) deutlich wird. Die in US-Dollar notierende Staatsanleihe fiel auf ihren niedrigsten Stand (98,25%) seit einem Jahr und rentierte, wohlgemerkt in Dollar, mit 3,08%.
Ifo-Handelsexperte Gabriel Felbermayr sagte dem „Handelsblatt“ gegenüber, auch deutsche Firmen würden die Auswirkungen des US-chinesischen Handelsstreits zu spüren bekommen, sie seien aber verkraftbar. Wenn Zölle und Gegenzölle allmählich zur Gewohnheit an den Börsen werden, sollte man aufpassen, nicht blind für deren Gefahren zu werden. Die Märkte vieler Volkswirtschaften laufen bereits heiß und weisen zum Teil hohe Bewertungen auf. Da kann eine heftige Störung, wie sie Trumps Eskalationspolitik auslösen kann, schnell zu einer Kettenreaktion führen.
Der Konter aus Peking folgte prompt
Und die neue Eskalationsstufe des Handelsstreits hat es in sich. Nachdem Trump am Montag Strafzölle von 10% (die 2019 auf 25% steigen sollen) auf Warenimporte aus China im Wert von 200 Mrd. US-Dollar angekündigt hatte, folgte am Tag darauf der Konter aus Peking, das Strafzölle auf Importe aus den USA im Wert von 60 Mrd. US-Dollar verhängte. Zuvor hatten bereits beide Länder gegenseitig Strafzölle auf Waren im Wert von jeweils rund 50 Mrd. US-Dollar erhoben.
China hat auch andere Möglichkeiten
Da China nur US-Waren über 130 Mrd. US-Dollar einführt, kann Peking die Spirale von Zöllen und Gegenzöllen nicht unendlich weitertreiben. Allerdings hat China bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass es immer wieder willens war, traditionelle Beschränkungen des Marktzugangs anzuwenden. Sollte sich Peking auf diese Strategie zurückbesinnen, drohen Störungen in den globalen Lieferketten, die wiederum die Weltwirtschaft treffen können. Aber auch Firmen wie Starbucks, Apple und Nike haben kein Interesse, dass ihre Milliardengeschäfte im Reich der Mitte behindert werden, profitieren sie in China doch von der Konsumlust des Milliardenvolkes. Für den Fall, dass China mit Gegenmaßnahmen auf Trumps jüngste Eskalationsstufe reagieren würde, hat der US-Präsident jedenfalls Extrazölle auf weitere 267 Mrd. US-Dollar Warenimporte aus China avisiert.
Tatsächlich könnte aber auch Europa zum Profiteur des Handelsstreits zwischen China und den USA werden – ganz nach dem Motto: Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte. Lässt sich China etwa zu Zugeständnissen im Rahmen der WTO drängen, so Ifo-Ökonom Felbermayr dem „Spiegel“ gegenüber, könnte dies der wettbewerbsfähigen deutschen Industrie deutlich mehr nutzen als der amerikanischen, so sein Kalkül.
Wie King Kong und Godzilla
Man fühlt sich bei dem ganzen Streit an das Film-Duell der Monster Godzilla und King Kong, auch bekannt unter dem Titel „Schlachtfest der Giganten“, erinnert, die in den frühen 1960er-Jahren gnadenlos aufeinander einschlugen. Am Ende stürzen beide Ungeheuer durch ein plötzliches Erdbeben ins Meer. Godzilla taucht nicht mehr auf, und King Kong schwimmt in seine Heimat zurück.
London zwischen Pest und Cholera
Sir Sebastian Wood wählt seine Worte mit Bedacht, was angesichts der radikalen Minderheit unter seinen Landsleuten, die immer noch lautstark einen harten Brexit fordern, viel wert ist. Wood ist britischer Botschafter in Deutschland und plädiert für eine Annäherung zwischen der EU und Großbritannien. Am wichtigsten ist es ihm, neue Grenzen in Irland zu vermeiden. Denn das könne die politische Lage auf der Insel destabilisieren, so fürchtet er. Daher geht es Wood insbesondere darum, ein No-Deal-Szenario zu vermeiden. Und dazu, so seine Forderung, müsse sich die EU mehr bewegen.
Denn aus Sicht von London hat die Regierung von Theresa May nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, wie Wood es nennt. EU-Unterhändler Michel Barnier hat May bekanntlich angeboten, einen Status wie Norwegen bekommen zu können, aber auch Mitglied der Zollunion zu werden. Dies würde für London bedeuten, dass Großbritannien Verpflichtungen wie ein Mitgliedstaat eingehen müsste.
May fordert Entgegenkommen der EU
Kurz vor einem informellen EU-Gipfel in Salzburg hat May daher ein Entgegenkommen der EU gefordert. Brüssel und die EU-Mitgliedstaaten müssten London in Gesprächen über ein Freihandelsabkommen genauso behandeln wie andere Drittstaaten. May hat sich aus eigener Sicht mit ihrem bei den eigenen Torys umstrittenen Vorschlag, eine Freihandelszone zwischen EU und Großbritannien nur für Güter einzurichten, nicht aber für Dienstleistungen, bereits auf die EU zubewegt. Diese Linie war aber von Barnier als „Rosinenpickerei“ zurückgewiesen worden.
Sondergipfel würde letzte Chance auf einen Deal bieten
Ebenso umstritten ist die Frage von Nordirland. Die EU hatte hier eine Zollaußengrenze in der Irischen See vorgeschlagen, um eine harte Grenze zwischen Nordirland und dem EU-Mitgliedsland Irland zu vermeiden. Kein Zweifel, May sitzt in der Zwickmühle. Während die Brexiteers in der eigenen Partei auch einen No-Deal eingehen würden, verlangen immer mehr Stimmen in Großbritannien ein zweites Referendum. Bei dem Salzburger Gipfel kann sie nun kaum auf Zugeständnisse der EU hoffen. EU-Ratspräsident Donald Tusk hat jetzt vorgeschlagen, in Salzburg über einen Sondergipfel im November zu befinden. Dies wäre dann die letzte Chance für einen Deal. Denn vor Dezember muss eine Einigung stehen, damit das britische Parlament noch genug Zeit hat, sie zu billigen.
Indessen hat der britische Notenbank-Chef Mark Carney vor Preiseinbrüchen am Immobilienmarkt im Falle eines ungeordneten Brexits gewarnt. Wie die „Times“ schreibt, geht Carney im Falle eines No-Deals von einem Preissturz um die 35% aus. Auch wenn dies keine offizielle Prognose ist, zeigt die Warnung, wie besorgt einer wie Carney ist.