Theresa May spielt ihren letzten Trumpf aus
Jetzt ist es doch noch so weit gekommen. Theresa May hat ihren Hut in den Ring geworfen und ihren Rücktritt angeboten, um ihren Deal durch das Parlament bringen zu können. Doch bis heute 17:00 Uhr müsste ein entsprechender Antrag gestellt werden, damit morgen eine Abstimmung möglich wäre. Ob dieser Plan aufgehen wird, steht allerdings immer noch in den Sternen. Denn niemand vermag zu sagen, ob der Sprecher des Unterhauses diesem Wunsch entsprechen würde. Und trotz der von Boris Johnson, einem der prominentesten Brexit-Befürworter, signalisierten Bereitschaft, unter diesen Umständen dem Deal zuzustimmen, ist eine Mehrheit für Mays Deal immer noch nicht in Sicht.
In dem gestrigen Abstimmungsmarathon wurden alle acht vom Sprecher des Unterhauses, John Bercow, vorgeschlagene Alternativen zum Brexit-Deal abgelehnt. Das Parlament hat lediglich der von Brüssel vorgeschlagenen Brexit-Verschiebung auf den 12. April bzw. 22. Mai 2019 zugestimmt. Somit geht die Hängepartie nun weiter. Allerdings hat man mit der beschlossenen Umsetzung der neuen Termine in britisches Recht vielleicht auch die Möglichkeit am 1. April erneut eine Abstimmung über den Deal von Theresa May anzusetzen. Lirpa, Lirpa!
Ausloten, für welche Option es eine Mehrheit geben würde
Bekanntlich hatte das Parlament schon zweimal den von May ausgehandelten Austrittsvertrag abblitzen lassen. In der Folge hatte das Unterhaus die Abstimmung zu möglichen Alternativen an sich gezogen. Die Exekutive wurde damit mehr oder weniger entmachtet. Mit richtungsweisenden Abstimmungen, sogenannte indicative votes, wollte man von Mittwoch an ausloten, für welche Alternative es denn Mehrheiten geben würde. Und so wurde abgestimmt:
- No Deal: 160 zu 400
- Weicher Brexit: 188 zu 283
- Norwegen-Modell: 65 zu 377
- Zollunion mit der EU: 264 zu 272
- Labours offizieller Plan: 237 zu 307
- Brexit-Widerruf: 184 zu 295
- Zweites Referendum: 268 zu 295
- Übergangsphase ohne Abkommen: 139 zu 422
Diese Ergebnisse vermitteln ein erstes Stimmungsbild und man darf gespannt sein, wie die Brexit-Saga enden wird.
China kann für die Finanzmärkte zum Problem werden
Mit der vielfach romantisierten Seidenstraße, ohne die ein Stoff-, Gewürz- und Opiumhandel nicht möglich gewesen wäre, hat das chinesische Projekt gleichen Namens nicht mehr viel zu tun. Bezeichnenderweise ist es China, das dieses Vorhaben nach seinen Vorstellungen vorantreibt. Gemäß dem Motto: „Wer zahlt, schafft an“ hat man schon rund 200 Mrd. € in weltumspannende Standorte gesteckt – unter anderem in den Ausbau von Häfen und Straßen in Pakistan sowie Afrika, um die Vertriebswege neu zu strukturieren. Die nötigen Devisenreserven für ein solches Projekt hat das Reich der Mitte durch seine Handelsüberschüsse angehäuft. Und jetzt baut Peking - zum Leidwesen von Hamburg und Rotterdam - im Süden Europas die italienischen Häfen Triest und Genua aus, was den Seeweg nach Europa um fünf Tage verkürzt.
Bestimmt Europa nicht mehr die Regeln?
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der gerne auch mal in größeren Zusammenhängen denkt, erachtet die neue Seidenstraße als eines der wichtigsten geopolitischen Konzepte der letzten Jahrzehnte. Seines Erachtens würde das Projekt in einigen Regionen sicherlich für Stabilität sorgen, aber hegemonistisch sei es allemal. Daraus spricht die Furcht, dass die Seidenstraße eine Dynamik entfalten könnte und man auf dem eigenen Kontinent nur noch eine untergeordnete Rolle spielen würde. Deshalb haben Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bei dem Besuch von Chinas Präsident Xi in Paris versucht, die gemeinsamen europäischen Interessen zu vertreten. Schließlich wäre eine aktivere, gemeinsame Rolle der Europäer angesichts der „neuen Seidenstraße“ wünschenswerter als dass die einzelnen europäischen Staaten um chinesische Gelder konkurrieren. Denn sollte es gelingen, gegenüber China als Partner auf Augenhöhe aufzutreten, könnte man gegebenenfalls die Seidenstraße dazu nutzen, einen Gegenpol zur protektionistischen Politik von D. T., dem Unberechenbaren, aufzubauen. Es geht also darum, die Seidenstraße als Chance zu erkennen. Und in diesem Zusammenhang hat Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian noch ein weiteres Argument angeführt: Man kann nicht gegen die Erderwärmung kämpfen, ohne China auf seiner Seite zu haben.
Der Geist der Schuldenkrise
Doch China wäre nicht China, wenn es nicht seine eigenen Beweggründe für ein solches Projekt hätte. Denn infolge des immer noch schwelenden Handelskrieges mit den USA, ist China auf der Suche nach neuen Handelspartnern. Dadurch kann man gegenüber den USA gefestigter auftreten und mit einer guten Konjunkturauslastung schwindet die Gefahr einer neuen Schuldenkrise, die aufgrund des gewaltigen Kreditberg Chinas droht. Nachdem Peking das rückläufige Wachstum der Wirtschaft durch eine monetäre und steuerliche Lockerung befeuert hat, gaben die Banken des Landes Kredite in Rekordhöhe aus, was den Schuldenberg auf 34 Bill. USD anwachsen ließ. Beobachter sprechen von einer regelrechten Schuldensucht. Daraufhin wurde eigens eine Kampagne gegen die Überschuldung von Staatsbetrieben und Lokalregierungen gestartet, die teilweise zwar erfolgreich war, aber gleichzeitig dem Wachstum schadete. Vielleicht muss man sich an bescheidenere Wachstumsziele gewöhnen, die für 2019 immerhin noch zwischen 6% und 6,5% liegen dürften.
Ein erneuter Haushaltsstreit mit Italien ist vorprogrammiert
Die EU-Kommission ist gut beraten, wenn sie ihr Augenmerk nicht nur auf die Verhandlungen mit London richtet, sondern sich schon jetzt auf einen erneuten Haushaltsstreit mit Italien vorbereitet. Denn Italien kommt wirtschaftlich nicht voran und die Wirtschaftsleistung ist in keinem anderen Land der Eurozone so rückläufig wie in Italien. Wie die Tageszeitung „Sole 24 Ore“ berichtet muss Rom seine Konjunkturprognose drastisch senken, und zwar von 1,0% auf 0,1%. Damit wird auch die mit der EU vereinbarte Neuverschuldung von 2,04% nicht zu halten sein. Vielmehr rechnet man in Rom dem Bericht zufolge mit rund 2,3%.
Im Rahmen des Haushaltsverfahrens muss Rom schon bald seine Etatpläne für die Jahre 2020 und 2021 vorlegen. Da die Prognosen der EU-Kommission und der Regierung in Rom nicht annähernd gleich sind, sondern sich dramatisch voneinander unterscheiden, erwartet der Vize-Chef der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, schwierige Verhandlungen.
China springt zur Seite
Wie uneinsichtig Rom zurzeit agiert, verdeutlicht auch die Tatsache, dass Rom als bisher einziges G7-Land in das Projekt „neue Seidenstraße“ eingebunden wurde. Die dabei unterzeichneten Vereinbarungen mit einem Gesamtvolumen von mehreren Milliarden Euro, unter anderem für den Bau von Stahlfabriken in China oder den Export von Landwirtschaftsprodukten wie Orangen und Schweinefleisch sind ein willkommenes Konjunkturprogramm für Italien. Umgekehrt steckt Peking insbesondere in die Häfen von Genua sowie Triest eine Menge Geld und erweitert mit dem Projekt seinen wirtschaftlichen aber auch politischen Einfluss.
Dabei könnte man angesichts der Schuldensituation Italiens auch auf die Idee kommen, dass sich hier ein Muster wiederholt, das man bereits von Griechenland kennt. Im überschuldeten Hellas hatte sich China unter anderem 51% des Athener Hafens Piräus gesichert. Und nun nützt Peking auch die Situation des wirtschaftlich angeschlagenen Italiens aus, um seine geostrategische Expansion fortzusetzen.
Befürchtungen nicht nur im restlichen Europa
Ob dies am Ende allen Beteiligten nutzen wird oder Italien sich in eine Abhängigkeit von China begibt, wird sich schon bald zeigen. Befürchtungen gibt es jedenfalls nicht nur im restlichen Europa. Auch Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hat von Peking gefordert, das Abkommen dürfe keine Einbahnstraße sein. Die Regierung in Rom aber gibt sich demonstrativ unbeeindruckt – auch gegenüber den skeptischen Tönen in der EU.
Im anstehenden Europa-Wahlkampf wird Italien sein wahres Gesicht zeigen und es ist zu befürchten, dass Rom einem vom Brexit geschwächten Europa Zugeständnisse abringen wird.