Italien – und es bewegt sich doch. Aber reicht das?
Den Satz „Und sie bewegt sich doch“ lässt Bertold Brecht seine italienische Titelfigur in dem Drama „Leben des Galilei“ sagen, nachdem dieser vor dem Inquisitionsgericht dem kopernikanischen Weltbild öffentlich abschwören musste. Das Motto „Und sie bewegt sich doch“ könnte nun auch für die italienische Regierung gelten, die sich offenbar bemüht, einen Eklat mit der Europäischen Kommission abzuwenden.
Nachdem Brüssel erstmals in der Geschichte den Haushaltsentwurf eines Mitgliedslandes zurückgewiesen hat, sendet Rom Signale, wonach man gewillt ist, die geplante Neuverschuldung von 2,4% des BIP auf um die 2,0% zu senken – wie es Finanzminister Giovanni Tria in Aussicht gestellt hat. Um ein EU-Defizitverfahren und damit eine milliardenschwere Strafe gegen Italien zu vermeiden, will nun Ministerpräsident Guiseppe Conte am kommenden Dienstag einen neuen Budgetvorschlag vorlegen. Darin enthalten ist wohl auch der Verkauf zusätzlicher Vermögenswerte zur Schuldenreduzierung. Unter anderem wird laut Tria angestrebt, weitere Beteiligungen zu veräußern. Die italienische Regierung hatte bereits zuvor erklärt, bis zu einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts 2019 durch Privatisierungen erwirtschaften zu wollen. Jedoch ist eine einmalige Einnahme nicht dazu geeignet, um immer wiederkehrende Ausgaben gegenzufinanzieren.
Renditen für italienische Staatsanleihen sinken
Dieses Einlenken von Rom wurde an den Kapitalmärkten mit schrumpfenden Risikoaufschlägen quittiert. So sanken am Mittwoch die Renditen für italienische Staatsanleihen im Zehnjahresbereich um rund 0,63 PP auf ein Niveau von ca. 3,08%. Hatte dieser Wert doch am 20. November noch bei ca. 3,71% gelegen. Damit beträgt der Spread gegenüber Bundesanleihen aktuell wieder nur noch ca. 280 BP. Das Signalisieren eines Entgegenkommens scheint sich für Rom am Kapitalmarkt vorerst ausgezahlt zu haben, wenn auch ein Teil dieser positiven Entwicklung der allgemeinen Tendenz am Rentenmarkt geschuldet ist.

Bittgang unterm Damoklesschwert
Immerhin, nicht nur von Wirtschaftsberatern der US-Regierung, sondern von D. T., dem Unberechenbaren, höchstpersönlich waren die drei deutschen Automanager empfangen worden, als sie sich diese Woche mal kurz als EU-Handelspolitiker versuchten. Ob sie damit die Drohung der Strafzölle auf europäische Autos gebannt haben, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass die Vorstände Herbert Diess (VW), Nicolas Peter (BMW) und Dieter Zetsche (Daimler) versuchten, mit Investitionen, die sie für die USA in Aussicht stellten, den Herrn im Weißen Haus milde zu stimmen. Schon die Wortwahl erinnert an heidnische Bräuche.
Dabei legte Diess für VW eine angestrebte Kooperation mit Ford beim Bau von Pickup-Trucks in die Waagschale und stellte eine zweite US-Fabrik in Aussicht. Peter kündigte weitere Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe im BMW-Werk Spartanburg an und Zetsche verwies auf den Bau einer Batteriefabrik von Mercedes in der Nähe seiner Pkw-Produktion in Tuscaloosa.
Zetsche, der einst in US-Werbefilmen als „Dr. Z“ für die Automarke mit dem Stern getrommelt hatte, sagte im Anschluss der Gespräche zwar, dass damit die „potenzielle Bedrohung“ durch neue US-Importzölle reduziert werden konnte. Dennoch schwebt das Damoklesschwert, das US-Präsident Donald Trump aufgehängt hat, weiterhin über der europäischen Autoindustrie. Die Reise der drei Automanager war nichts Geringeres als ein Bittgang nach Washington. Und da ein Abkommen nur zwischen Brüssel und Washington vereinbart werden kann, war der Besuch lediglich eine deutsche „Goodwill-Aktion“, die im schlimmsten Fall noch seitens D.T. zum Auseinanderdividieren der europäischen Autobauer verwendet wird.
Trump hält Drohung gegenüber China aufrecht
Dass Trump inzwischen als "Mann der Zölle" Gefallen daran gefunden hat, die Unsicherheit weiterhin aufrechtzuerhalten, beweist auch sein Verhalten im Handelsstreit mit China. Nachdem man sich bei dem jüngsten G20-Treffen in Buenos Aires scheinbar angenähert hatte, droht Trump inzwischen wieder mit „erheblichen Zöllen“. Sofern es zu keinem „effektiven“ Handelsabkommen kommen werde, wolle er chinesische Einfuhrgüter mit Abgaben belegen. Entweder es gebe einen „echten Deal“ oder eben keinen.
Bekanntlich hatten Trump und sein chinesischer Kollege Xi Jinping beim G20-Gipfel besprochen, die ursprünglich für Anfang Januar anstehende nächste Runde von neuen Zöllen auszusetzen und sich um eine Lösung des Handelsstreits zu bemühen. Nach den nachgeschobenen Drohungen durch den US-Präsidenten versuchte Peking zu beschwichtigen. Man werde in den kommenden 90 Tagen die Bemühungen verstärken, um ein Abkommen umsetzen zu können, hieß es aus China. Kein Zweifel, auch in Peking spürt man das Damoklesschwert im Nacken, das über den Handelsbeziehungen mit den USA hängt.

Ein neuer Exit vom Brexit mit wenig Chancen
In London ist inzwischen alles denkbar. Nachdem die Debatte über das Brexit-Abkommen mit einem Fehlstart im Parlament begonnen hat, ist sowohl ein Rücktritt von Theresa May als auch eine Neuwahl, ein zweites Referendum oder ein Austritt ohne Abkommen nicht mehr ausgeschlossen. Zunächst hatte die Regierung unter Premierministerin May das Misstrauen der Parlamentarier provoziert, indem sie ein Gutachten von Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox zum Brexit-Deal nicht vollständig zugänglich machte. Laut BBC wurde daraufhin das erste Mal in der Geschichte des britischen Parlaments die Regierung von den Abgeordneten wegen Missachtung abgemahnt. Die Chancen von May, ihr mit der EU ausgehandeltes Abkommen am 11. Dezember im Unterhaus durchzubekommen, sind damit weiter gesunken. Sowohl Befürworter als auch Gegner des EU-Austritts wollen den Deal blockieren.
EuGH öffnet Hintertürchen
Ob aus dem dann folgenden politischen Chaos eine neue Chance entsteht, ist zumindest fraglich. Ein neues Hintertürchen hat dafür nun ein vorläufiges Urteil des zuständigen Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) geöffnet. Demnach brauchte die britische Regierung im März 2017 kein Einverständnis der anderen EU-Mitglieder, um den Brexit formal in Gang zu setzen. Und genauso könnte sie diese Entscheidung unilateral wieder zurücknehmen, heißt es in dem Gutachten. Dies könnte zwar den Weg zwischen Pest und Cholera weisen, dürfte aber nur Wunschdenken der Remainer im Vereinigten Königreich sowie der Kontinentaleuropäer bleiben. Und so sieht sich May bis zum B-Day am 11. Dezember im Parlament mit dem massiven Widerstand von beiden Seiten konfrontiert. Es ist zu befürchten, dass in der aufgeheizten Atmosphäre nicht mal im Ansatz ernsthaft über den dritten Weg, den der EuGH da aufgezeigt hat, nachgedacht wird. Der neue Exit vom Brexit hat somit eigentlich keine Chance.

Renditeschwund bei Lebensversicherungen gestoppt
Ist der Renditeschwund bei klassischen Lebensversicherungen tatsächlich zu Ende? Darauf weist die Zinspolitik des Marktführers Allianz hin, an dem sich gewöhnlich die gesamte Branche orientiert. Wie der größte deutsche Lebensversicherer mitteilte, zahlt das Unternehmen 2019 eine unveränderte Überschussbeteiligung von 2,8% auf klassische LV-Policen. Mit dem Schlussüberschuss und dem Sockel an Bewertungsreserven ergibt sich eine Gesamtverzinsung von 3,4%. Damit hält die Allianz Leben das dritte Jahr in Folge die Verzinsung auf Lebens- und Rentenversicherungen stabil. Wettbewerber wie Axa und Alte Leipziger tun es dem Marktführer gleich. Der eine Dekade währende Abwärtstrend dürfte damit gestoppt sein.
Neuberechnung von Zinszusatzreserve zeigt Wirkung
Der Branche kommt hierbei eine neue Berechnungsmethode für einen Risikopuffer zugute, der negative Folgen der Dauerniedrigzinsen an den Finanzmärkten abfedern soll. Für dieses Instrument namens Zinszusatzreserve (ZZR) müssen die Versicherer laut Finanzaufsicht BaFin rund zwei Drittel weniger zurücklegen. Bei der alten Regelung wären demnach auf die Versicherer in diesem Jahr insgesamt 20 Mrd. € zugekommen. Die Rekalibrierung verhindere einen unangemessen schnellen Aufbau der ZZR, welcher die Unternehmen möglicherweise überfordert hätte und damit auch schlecht für die Kunden dieser Unternehmen gewesen wäre, heißt es dazu im BaFin-Journal.

Zinspause in den USA wäre nicht ohne Folgen für Euroland
In zwei Wochen werden wir wissen, welche Richtung und welches Tempo die Notenbanker auf beiden Seiten des Atlantiks bei ihrer Geldpolitik 2019 einschlagen werden. Dabei sind zwar die europäischen Entscheider als Erste am Zuge, aber da es auf der letzten Sitzung des Jahres nicht um eine Veränderung der Leitzinsen geht, sondern lediglich um die Gestaltung des Umfeldes, kann man getrost abwarten, bis eine Woche später die US-Notenbanker ihren Beschluss fassen. Denn davon hängt auch die weitere Vorgehensweise der EZB-Verantwortlichen ab. Sollte sich eine Zinspause in den USA abzeichnen, dann wäre zumindest die Voraussetzung für ein Hinauszögern der ursprünglich für Herbst 2019 angedachten europäischen Zinserhöhung geschaffen. Zumal damit der Renditespread zwischen den USA und Euroland - insbesondere Deutschland - nicht noch weiter ausgeweitet würde. Doch das ist alles reine Spekulation und deshalb lassen Sie uns zunächst in die nähere Zukunft schauen.
Bei der Sitzung der Europäischen Zentralbank am kommenden Donnerstag werden zwar auch die neuen Stabsprojektionen zu Wachstum und Inflation veröffentlich, aber in erster Line wird von den Marktteilnehmern der finale Beschluss zum Ende der Anleihekaufprogramme erwartet. Dies wurde zwar in der Vergangenheit mehrfach angedeutet, aber noch hat sich der EZB-Rat einer schriftlichen Fixierung verweigert. Doch nun muss geliefert werden, um die Glaubwürdigkeit der EZB nicht zu untergraben. Die zu befürchtende Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in der Eurozone bringt die EZB hier zusätzlich unter Druck. Wenn also nicht jetzt sich festlegen, wann dann? Gleichzeitig erwartet man an den Finanzmärkten auch Klarheit über die Reinvestition fälliger Gelder und ausgeschütteter Zinsen. In punkto Zinsanhebung ist davon auszugehen, dass Mario Draghi auf die zweite Jahreshälfte 2019 oder sogar schon auf das vierte Quartal verweisen wird. In der Zwischenzeit könnte man in Ruhe abwarten und die Folgen der wirtschaftlichen sowie politischen Streitigkeiten analysieren. Man würde also zum wiederholten Mal sich und den Politikern Zeit erkaufen.
In den USA ist die Situation zurzeit wesentlich komplizierter, da es nicht wenige Notenbanker gibt, die sich sowohl für ein Beibehalten wohl dosierter Zinserhöhungen aussprechen als auch welche, die das Wort Zinspause in den Mund nehmen, um zunächst die Wirkung der bisherigen Maßnahmen zur Entfaltung kommen zu lassen. Diese sehr unterschiedlichen Meinungen innerhalb des Gremiums werden darüber hinaus noch durch politische Kommentare seitens des US-Präsidenten Donald Trump, dem Wankelmütigen, befeuert. Ganz egal, wie die Entscheidung am 19. Dezember ausfallen wird, bereitet die US-Notenbank Fed die Finanzwelt auf eine Änderung ihrer Arbeitsweise vor. So will man zukünftig laut Fed-Vizepräsident Richard Clarida, der für die Koordination des Reformprozesses zuständig ist, bei diversen Veranstaltungen die Meinung verschiedener gesellschaftlicher Gruppen über Möglichkeiten der Kommunikationsverbesserung einholen. Wichtig wird auch in Zukunft sein, dass man einen „Wackelkurs“ bei den Zinsen ausschließt, wie es ein weiterer Vizepräsident, Randal Quarles, bereits gefordert hat. Noch signalisieren die impliziten Wahrscheinlichkeiten, dass in diesem Jahr auch eine vierte Zinserhöhung beschlossen wird. Ob es sich dabei um ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk handelt, darf jeder Marktbeobachter selbst entscheiden.
