Investoren sagen Ciao zu den Titoli di Stato
Kein Zweifel, die schädlichen Nebenwirkungen der Niedrigzinspolitik der Notenbanken, insbesondere der EZB, werden immer deutlicher. Während Spanien, Griechenland und Zypern, die auf Mittel aus dem Rettungsfonds ESM angewiesen waren, zumindest teilweise den Staatsapparat und die Bankensysteme reformiert haben, sieht es insbesondere in Italien düster aus. Dennoch scheut sich Roms populistische Regierung nicht, für 2019 mit einem Haushaltsdefizit von 2,4% seines BIPs zu planen, das dreimal so hoch ist, wie es die Vorgängerregierung vorgesehen hatte. Und dabei ist Italien bereits mit 132% des BIPs verschuldet.
Risikoaufschläge so hoch wie seit viereinhalb Jahren nicht mehr
Mit seinem Schuldenhaushalt hofft man in Rom zwar, die Wirtschaft ankurbeln zu können, vergisst aber offenbar die Kapitalmärkte. Dort werden nämlich italienische Staatsanleihen als Reaktion auf das hohe Budgetdefizit abgestoßen. So kam es gestern im Zuge von Verkäufen erneut zu kräftigen Kursverlusten und parallel zu einem starken Anstieg der Risikoaufschläge für die italienischen Papiere. Aktuell rentieren 10-jährige Staatsanleihen (italienisch: titoli di stato) mit ca. 3,52%, nachdem sie am Dienstag mit 3,71% so hoch waren, wie seit viereinhalb Jahren nicht mehr. Klar ist damit auch, dass es für Rom noch teuer werden kann, an den internationalen Finanzmärkten Geld aufzunehmen.
Rom ignoriert die Realitäten an den Märkten
Aber was die Folgen angeht, ist man in der Regierung ganz ungeniert und schreckt nach Aussage des rechten Lega-Politiker Alberto Bagnai auch nicht vor einer Herunterstufung der Bonitätsnote durch die großen Ratingagenturen zurück. Denn sollten S&P und Moody's Ende Oktober ihre Ratings für Italien überprüfen, so wird es wohl zu einem Downgrade kommen. Und auch der rechtspopulistische Innenminister Matteo Salvini betonte, dass sich die Regierung nicht vom Druck der Finanzmärkte von ihren Plänen abbringen lasse. Die Kritik von EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici, wonach die angestrebte Neuverschuldung von 2,4% eine deutliche Abweichung von der gemeinsamen Wirtschaftspolitik darstelle, konterte er damit, mit dem neuen Haushalt werde man die Italiener für das ihnen widerfahrene Unrecht entschädigen. Was immer solch eine groteske Aussage bedeuten soll, spricht die Antwort der Finanzmärkte eine eindeutige Sprache gegen die Neuverschuldung. Diese nicht zu beachten, bedarf es realitätsferner Ignoranten, wie sie derzeit im Rom regieren. Doch dieses Szenario birgt noch eine weitere Gefahr in sich. Denn italienische Banken haben ca. 375 Mrd. € in heimische Staatsanleihen investiert, was jetzt Wertberichtigungen nach sich ziehen kann.
Griechenlands Banken schleppen faule Kredite mit sich herum
In diesem Kontext darf nicht vergessen werden, dass Italien mit seinen Banken ein Bündel an faulen Krediten mit sich herumschleppt. Auch Griechenlands Banken haben Darlehen über knapp 89 Mrd. € in den Büchern, die als gefährdet gelten. Beide Aspekte könnten eine neue Bankenkrise in Euroland heraufbeschwören. Im Falle Griechenlands geht es nun um die Frage, ob es die dortigen Institute schaffen, die Problemkredite bis 2019 auf rund 65 Mrd. € zu drücken. So ist es jedenfalls mit der Europäischen Zentralbank (EZB) vereinbart.
Scholz fürchtet um „Schwarze Null“
Nicht vergleichbar etwa mit Italien ist die Haushaltssituation in Deutschland. Seit Jahren schreibt das Finanzministerium die berühmte „Schwarze Null“. Gleichzeitig fordert Deutschland schon lange von der EZB eine Abkehr von der Niedrigzinspolitik. Nun aber fürchtet Finanzminister Olaf Scholz plötzlich eine anstehende Zinswende. Dann, so seine Ahnung, könnte die Schwarze Haushaltsnull in Gefahr geraten. Müsste doch die Regierung bei steigenden Zinsen für neue Schulden sowie die Umschuldung der bestehenden Verbindlichkeiten in Höhe von 1,2 Billionen € plötzlich wieder Zinsausgaben einplanen. Ein Gutachten soll nun Einsichten darüber bringen, wie widerstandsfähig die „Schwarze Null“ auch bei steigenden Zinsen sein mag. Für ein solches Kalkül ist es höchste Zeit. Erst recht, wenn man liest, dass die Fertigstellung des Gutachtens acht Monate auf sich warten lassen wird.

Brexit: Jetzt gilt’s
Hoffnungen auf einen Kompromiss im Dauerstreit um den Status Nordirlands im Falle des Brexits haben britische Politiker rasch im Keim erstickt. So machte die nordirische Protestantenpartei DUP, an dessen Gängelband die Regierung von Theresa May hängt, diese Woche schnell klar, dass sie keinen wirtschaftlichen Sonderstatus Nordirlands akzeptieren wird. Ebenso erteilte Brexit-Minister Dominic Raab einer unbefristeten Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Zollunion als Notfallplan für die Irland-Frage eine Absage. Zuvor waren in den Medien noch Ansätze für eine schnelle Einigung zwischen London und Brüssel im Vorfeld des kommenden EU-Gipfels kolportiert worden.
Showdown beginnt nächste Woche
Der steht nächste Woche in Brüssel an, wo wesentliche Teile des Brexit-Abkommens vereinbart werden müssen, damit Großbritannien geordnet die EU verlassen kann. Selbst der britische Industrieverband drängt angesichts des engen Zeitfensters auf eine pragmatische Lösung. Sollte man kommende Woche nicht zu einer Einigung kommen, müssten die Unternehmen ihre Notfallpläne aktivieren. Dies würde 1,2 Millionen Jobs in der EU gefährden. Daher beschwört Carolyn Fairbairn, Chefin des britischen Industrieverbands CBI, die Verhandlungspartner regelrecht, sich auf die möglichen Kompromisse zu konzentrieren. Der Verbleib in der Zollunion sollte nach ihrer Überzeugung fortgesetzt werden, bis es verlässliche Lösungen für alle notwendigen Grenzkontrollen gibt, um eine sichtbare Grenze in Nordirland zu vermeiden.
May in der Zwickmühle
Davon will der harte Kern der Brexiteers allerdings nichts wissen. Allein 40 Abgeordnete der konservativen Regierungspartei sollen bereit sein, im Parlament gegen das Austrittsabkommen von Premierministerin Theresa May zu stimmen, sofern der Deal nicht ihren Vorstellungen entspricht. Hinzu kommt die oppositionelle Labour-Partei, die bereits signalisiert hat, gegen Mays Vorhaben zu stimmen, das eine Freihandelszone für Waren, nicht aber für Dienstleistungen und den freien Personenverkehr vorsieht. Dies lehnt aber auch die EU-Kommission ab.
Für den Fall eines ungeordneten Brexits (No-Deal) hat nun die britische Notenbank die EU aufgefordert, grenzüberschreitende Finanzgeschäfte besser abzusichern. Bis zum Austrittsdatum März 2019 ist es Firmen allein laut der Bank of England (BoE) nicht möglich, das Risiko einer Unterbrechung grenzüberschreitender Finanzgeschäfte abzumildern. Dies gelte etwa für Finanzderivate von umgerechnet 45,5 Bill. € sowie für die Inhaber von Versicherungspolicen.
Bundesregierung reagiert mit Brexit-Begleitgesetz
Indessen plant die Bundesregierung ein Brexit-Begleitgesetz, mit dem die steuerlichen Folgen des britischen EU-Austritts geregelt werden sollen. Ein entsprechender Entwurf sieht laut Reuters eine Reihe von Änderungen im Steuer-, Bausparkassen- und Pfandbrief-Recht vor. Damit soll den betroffenen Steuerpflichtigen für die notwendige Übergangszeit Bestandsschutz gewährt sowie Rechtssicherheit geschaffen werden.
Als allerletzter Termin für eine Einigung gilt der EU-Sondergipfel Mitte November, damit das britische Parlament das Abkommen noch rechtzeitig zum Brexit-Datum absegnen kann. Es wird also Zeit, dass sich was dreht, wie schon 2006 Herbert Grönemeyer verlauten ließ.

Erleichterung für Lebensversicherer
Lebensversicherer müssen künftig nicht mehr wie bisher für Leistungsversprechungen aus der Hochzinsphase in den 1980er und in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre vorsorgen. Dies wird durch eine Entschärfung bei der Bildung von Zinszusatzreserven durch das Bundesfinanzministerium erreicht.
Von 2011 bis Ende 2017 haben die Lebensversicherer 60 Mrd. € als Risikopuffer für die Absicherung von Garantiezinsen aufgebaut. Diese Dotierung der Zinszusatzreserve geht zu Lasten der Erträge und damit auch zu Lasten der Beteiligung der Versicherten an den Überschüssen in der Lebensversicherung. Wenn die Zuführung zur Zusatzreserve aber sinkt, kann mehr Geld in die Überschussbeteiligung fließen. Dies ist insbesondere wichtig für jüngere Verträge mit niedrigen Zinsgarantien.
Weiterer Aufbau der Zinszusatzreserve in kleineren Schritten
Das Bundesfinanzministerium begründet einen entsprechenden Gesetzentwurf mit dem Argument, dass die Zinsgarantien mit 60 Mrd. € schon zu einem erheblichen Teil abgesichert seien. Der weitere Aufbau der Zinszusatzreserve könne nun in kleineren Schritten erfolgen. Laut der Aufsichtsbehörde Bafin müssten die Lebensversicherer nach der alten Methode 2018 schätzungsweise weitere 20 Mrd. € zur Finanzierung der Zinszusatzreserve aufwenden. Nach der neuen Methode wären es nur etwa 5 Mrd. €.

EuGH-Generalanwalt stellt seine Sicht der Dinge vor
Der Rechtsgutachter des Europäischen Gerichtshofs, Melchior Wathelet, hat der Europäischen Zentralbank (EZB) in seiner Stellungnahme die Absolution erteilt. Dieses Gutachten war die Folge einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zur Rechtmäßigkeit der EZB-Staatsanleihekäufe und der daraus im Sommer 2017 resultierenden Weitergabe an den EuGH, mit der Bitte um Prüfung. Darin kommt der Generalanwalt zu dem Ergebnis, dass mit dem Kaufprogramm keineswegs das Mandat überschritten wird. Auch hält er die Kritik der Kläger für abwegig, wonach dadurch der Anreiz der Euroländer zu einer „gesunden Haushaltspolitik“ in den Hintergrund tritt. Somit müssen jetzt wiederum die Karlsruher Richter ein Urteil fällen. Jedoch ist damit zu rechnen, dass bis zum Tag X noch einige Monate vergehen werden. Die von Melchior Wathelet ausgesprochene Empfehlung ist zwar nicht bindend, stellt aber zumindest eine Tendenz dar.
Problematisch dürfte hierbei aber sein, dass nach Meinung der Kläger die fünfte Vorlagefrage, die da lautetet: „Kann der EZB-Rat die Verluste aus einer Staatsinsolvenz zu Lasten des Bundeshaushalts umverteilen?“ nicht beantwortet wurde. Vielmehr wurde sie für unzulässig erklärt. Jedoch sollte man sich nicht der Illusion hingeben, dass die Karlsruher Richter diesen Aspekt als so schwerwiegend einschätzen und im Sinne der Kläger urteilen werden. Denn bereits im Jahre 2016 hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit seinem Urteil zur Verfassungsbeschwerde gegen Outright Monetary Transactions (OMT) die Frage nach der Behandlung von Verlusten für nationale Notenbanken im Falle eines Ausfalls von Eurostaaten ausgeklammert.
Deshalb wird sich auch in diesem Fall zeigen, dass das Urteil einem wohlwollenden Persilschein für Mario Draghi gleichkommt. Deshalb kann man nur hoffen, dass bis zum Zeitpunkt möglicher Staateninsolvenzen die Bestände in diesen Staatsanleihen vernachlässigbar klein sein werden. Es wird also weiterhin auf Zeit gespielt.
