Und wann kommt die Zinswende in Europa?
Jahrelang schon dürsten die europäischen Finanzmärkte nach der Zinswende seitens der Europäischen Zentralbank (EZB). Nach den jüngsten Andeutungen von EZB-Chef Mario Draghi rechnen Beobachter nun für September 2019 mit der ersten Zinsanhebung seit 2011. Darauf deuten Signale an den Märkten hin. Zuvor war man von nur einem Monat später, also von Oktober, ausgegangen. Diese leichte Verschiebung ging auf Äußerungen von Draghi zurück, der auf eine „relativ starke“ Zunahme der Inflation im Euroraum hingewiesen hatte, was an den Märkten unter anderem als ein „bemerkenswerter neuer Zungenschlag“ interpretiert wurde.
Nachdem das Deflationsgespenst ohnehin verscheucht ist, müssen sich Anleger also langsam aber sicher auf die Zinswende einstellen. Dennoch muss man davon ausgehen, dass diese höchstens in Trippelschritten erfolgen wird.
Draghi hält sich Option offen
Und Draghi wäre nicht Draghi, würde er sich nicht doch noch eine Option offenhalten. So hat er dieser Tage erneut das Credo der EZB wiederholt, wonach der Leitzins „mindestens über den Sommer 2019“ bei null Prozent bleiben werde. Das heißt, wenn alle Stricke reißen, könnte man den heiß ersehnten Zinsschritt auch noch einmal aufschieben. Den müsste dann ohnehin sein noch nicht bestimmter Nachfolger einleiten, der Draghi im Oktober 2019 an der EZB-Spitze ablösen wird.
Wie unter Draghis Nachfolger die weitere Strategie der EZB aussehen wird, hängt natürlich auch an dessen geldpolitischer Ausrichtung. Bekanntlich will ja Österreich einen Kandidaten ins Rennen um die EZB-Spitze schicken. Und dass dieser eine eher restriktivere Geldpolitik verfolgen würde, davon kann man nicht zuletzt aufgrund der jüngsten Äußerungen von EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny ausgehen. Der ist immerhin Österreichs Notenbankchef und hatte vor Kurzem erneut für einen schnelleren Ausstieg der EZB aus der ultralockeren Geldpolitik plädiert.
Deutsche Bank streckt die Fühler nach Zürich aus
Die Deutsche Bank sondiert intensiv den Markt nach möglichen Fusionspartnern. Nachdem es bereits die Spekulation über ein Zusammengehen mit der Nummer zwei in Deutschland, der Commerzbank, gegeben hat, wird der einst stolze deutsche Branchenprimus mit der Schweizer UBS in Verbindung gebracht.
Die Option mit der Commerzbank ist nun offenbar vom Tisch, wie das „Handelsblatt“ erfahren hat. Wegen der Überschneidungen mit der Commerzbank wären etwa die Restrukturierungskosten für Personalabbau zu hoch gewesen. Eine Affinität der Deutschen Bank zur UBS in Zürich hatte in der Vergangenheit bereits Aufsichtsratschef Paul Achleitner in die Diskussion gebracht. Nun heißt es, dass sich die Deutsche Bank und UBS mit ihren unterschiedlichen Stärken im Investmentbanking beziehungsweise in der Vermögensverwaltung gut ergänzen würden.
Beiderseitige Nähe zum chinesischen Mischkonzern HNA
Für eine Verbindung der beiden Institute spräche auch eine beiderseitige Nähe zu dem chinesischen Mischkonzern HNA. Dieser soll der UBS einen Milliardenkredit gewährt haben, um bei der Deutschen Bank einzusteigen. Umgekehrt war HNA mit 9,9% bei der Deutschen Bank eingestiegen, musste diesen Anteil wegen Überschuldung aber auf 7,6% verringern. Könnte also das verbliebene Aktienpaket von HNA an die UBS gehen? Die Schweizer wären dann neben Katar und Blackrock einer von drei Großaktionären bei der Deutschen Bank.
Kein Kommentar aus Zürich
Aus Zürich ist dazu kein Kommentar zu vernehmen. Immerhin wäre die UBS bei einem Zusammenschluss mit der Deutschen Bank der größere Partner. So bringt die UBS eine Börsenkapitalisierung von 52 Mrd. € auf die Waage, die Deutsche Bank nur 21,5 Mrd. €. Das würde der deutschen Politik nicht wirklich passen, eher schon ein Deal mit der Commerzbank. Doch ob die UBS tatsächlich ein Interesse an der Deutschen Bank haben sollte, ist eine andere Frage. Immerhin schwächelt der deutsche Branchenprimus bereits seit Jahren. Und auch bei der UBS ist nicht alles Gold, was glänzt. So hat die „Financial Times" den jüngsten Wechsel von Andrea Orcel, dem Investmentbanking-Chef der UBS, zur spanischen Santander als Zeichen der Schwäche für die Schweizer Großbank gewertet. Dieser Schritt stelle die zukünftige Ausrichtung und Führung der UBS in Frage.
Unterm Strich bleibt zu konstatieren, dass der deutsche Branchenprimus seine einstige Stärke längst verloren hat und nun gezwungen ist, sich nach einem leistungsfähigen Partner umzusehen. Nur so dürfte auf Dauer ein adäquater Finanzpartner für die deutsche Wirtschaft, insbesondere für die Exportindustrie, im Lande gedeihen können.
Briten lassen die Hintertür nach Europa irgendwie offen
Noch sind nicht alle Türen zwischen Brüssel und London geschlossen. Auf ihrem Parteitag in Liverpool haben sich nun die Delegierten der oppositionellen britischen Labour-Party die Möglichkeit eines zweiten Brexit-Referendums ausdrücklich offengehalten. Den Verbleib in der Europäischen Union (EU) schließe niemand als Wahlmöglichkeit aus, so der Tenor. Die Forderung nach einem zweiten Referendum gilt Labour allerdings nur als Ultima Ratio, weil man dann um die Stimmen der linken Brexit-Befürworter fürchten müsste. Labour arbeitet vielmehr auf Neuwahlen hin.
Neuwahlen rücken in den Bereich des Möglichen
Die kann es tatsächlich geben – nämlich dann, wenn die konservative Regierungschefin Theresa May mit der EU einen Plan aushandeln sollte, dieser aber vom Parlament in Westminster abgelehnt würde. Mays sogenannter Chequers-Plan, der eine Freihandelszone nur für Güter vorsieht, nicht aber für Dienstleistungen und Arbeitnehmerfreizügigkeit, wurde vergangene Woche in Salzburg von EU-Unterhändler Michel Barnier und EU-Ratschef Donald Tusk glatt abgelehnt. Man könne nicht zum Binnenmarkt gehören, wenn man nur in einem Teil zum Binnenmarkt gehören wolle, in drei anderen Teilen aber nicht, sagte dazu Bundeskanzlerin Angela Merkel. Barnier hatte dies zuvor als „Rosinenpickerei“ bezeichnet.
Auch in den eigenen Reihen der Tory-Partei gibt es Widerstand gegen den Plan. Ebenso hat nun der Brexit-Experte von Labour, Keir Starmer, auf dem Parteitag öffentlich eine Unterstützung seiner Partei für ein Brexit-Abkommen der Regierung mit Brüssel weitgehend ausgeschlossen. Eine parlamentarische Mehrheit für ein wie immer geartetes Abkommen, das May mit der EU aushandeln sollte, ist also alles andere als gewiss.
Ein No-Deal hätte gravierende Konsequenzen
Die Verhandlungen über ein Abkommen aber stecken in einer Sackgasse. So stellt sich die Frage, ob May dem Parlament überhaupt einen abstimmungskonformen Deal vorlegen kann. Sollte aber bis zum 29. März 2019, wenn Großbritannien aus der EU austreten soll, kein Abkommen ausverhandelt sein, droht ein ungeregelter Austritt, ein sogenannter No-Deal, der gravierende Konsequenzen für alle Lebensbereiche haben dürfte. Nicht von Ungefähr wurde nach der Abfuhr, die sich May in Salzburg von Barnier abholte, über einen möglichen Notfallplan für Neuwahlen im November spekuliert. Ein entsprechender Bericht der „Sunday Times“, wonach May ihre Berater angewiesen hätte, ein solches Szenario auszuarbeiten, wurde von einem Regierungssprecher in London aber dementiert.